Wenn du als Digisaurier, der sich bereits seit über 40 Jahren mit Programmiersprachen befasst, dieses Buch liest, wird dich ein Code wie der in diesem Screenshot (siehe unten) nervös machen. Gestoßen bin ich auf solche, ähem, Programmzeilen im neuesten Roman der genialen Schriftstellerin Sibylle Berg, der „GRM“ heißt und die Unterzeile „Brainfuck“ anstelle des sonst üblichen „Roman“ oder „Erzählung“ trägt. Manchmal, nachdem ein Textabschnitt geendet hat, finden sich plötzlich diese merkwürdigen Zeilen. Erst das Befragen der Wikipedia nach dem Begriff löste das Fragezeichen im Kopf des Betrachters.
In den Text eingebettet sind nicht nur die bewussten Brainfuck-Codeschnipsel, sondern auch kurze, zynische Bemerkungen eines Geheimdienst-Operators, der das Treiben der Jugendlichen kommentiert, weil er an der Quelle sitzt und alles über sie weiß. Tatsächlich hat sich Urban Müller seine Programmiersprache ausgedacht, um schnell und einfach KI-Algorithmen definieren zu können. Weil er aber auch das ist, was man einen Hacker nennen könnte, war sein Ehrgeiz zudem, den kleinstmöglichen Compiler für Brainfuck zu bauen. Funktionierende – es gibt einen real arbeitenden Brainfuck-Interpreter im Netz – Programme sind teilweise nicht einmal 100 KB groß, und bei einem Wettbewerb kamen die tollsten Ergebnisse aus der Gemeinde.
Ja, könnte gut sein, das Brainfuck die verrückteste Programmiersprache aller Zeiten ist. Und es steht nicht zu befürchten, dass Otto Computerfreak sie je wird erlernen müssen. Wer sich aber auch nur ein kleines bisschen für das Kodieren, für die Künstliche Intelligenz und die Zukunft der digitalen Welt interessiert, ist gut beraten, sich Brainfuck einmal anzuschauen – und natürlich den Roman von Sibylle Berg zu lesen.
Hier das Video eines Vortrags von Urban Müller zu Brainfuck:
Brainfuck-Creator Urban Müller about Brainfuck at TamediaTX 2017 from brainfuck