Dr. John Warnock in his home. Photo by Kendall Whitehouse.

Computerhelden (22): John Warnock – PostScript-Erfinder und Adobe-Gründer

Vor wenigen Tagen starb John F. Warnock. Er wurde 82 Jahre alt. Zusammen mit seinem langjährigen Geschäftspartner Charles „Chuck“ Geschke, der bereits vor zwei Jahren mit 81 verstarb, gehörte Warnock einer Generation Computerhelden an, denen wir praktisch alle bis heute grundlegenden Technologien verdanken. Im Fall der beiden ist es vor allem die Seitenbeschreibungssprache PostScript, die Ende der Siebzigerjahre die Art und Weise wie wir drucken, revolutionierte. Dass er zudem führend an der Entwicklung von PDF beteiligt war, wird da beinahe zur Fußnote. Beide „Erfindungen“ hängen enger miteinander zusammen als man heute glauben mag.

Marva, Chuck und John 1982 mit dem Adobe-Logo (via adobe.dandom.com)
Marva, Chuck und John 1982 mit dem Adobe-Logo (via adobe.dandom.com)
John Warnock war zwar Ingenieur, aber einer mit ausgeprägtem Sinn für Ästhetik, für das gute Erscheinungsbild. Die Freude am Schönen, die mit seiner Frau Marva Mullins Warnock teilte. Sie war gelernte Grafik-Designerin und entwarf das berühmte Adobe-A, das bis heute, wenn auch in abgewandelter Form, Logo des weltweit führenden Unternehmens rund um digitale Kreativität. In seinen Lebensjahren waren die beiden viel in Sachen Kunst auf Achse und stellte eine beeindruckende Sammlung moderner Kunst zusammen. Überhaupt waren John und Marva selten lange an einem Ort. Warnocks Weg führte von Utah über Kalifornien und Florida bis New Orleans, wo er seine letzten Tage verbrachte. Zwischendurch wohnten das Paar aber auch in den Rocky Mountains und in Paris. Gemeinsam betrieben sie mit dem Blue Boar Inn ein Feinschmeckerrestaurant in Midway, Utah, unweit von Salt Lake City.

Dort wurde er 1940 geboren, dort verbrachte er seine Schulzeit und an der dortigen University of Utah studierte er Mathematik, Philosophie und Elektrotechnik, Fächer, die er jeweils mit Bachelor- und Master-Diplomen sowie einer Promotion abschloss. Auch wenn John aus einer Mormonen-Familie stammte, hat seine Religion in seinem Leben nie eine erwähnenswerte Rolle gespielt.

Titelseite von Warnocks Doktorarbeit (Screenshot)
Titelseite von Warnocks Doktorarbeit (Screenshot)
Im Jahr 1969, in einer Zeit, als Computer und Grafik noch kaum in einem Wort genannt wurden, promovierte er mit einer Arbeit, die den später so genannten „Warnock-Algorithmus„. Der beschreibt, wie man bei einem Halbtonbild definieren kann, welche Polygone den Vorder- und den Hintergrund bilden. Damit war sein Interesse für die nächsten Jahrzehnte festgelegt – es ging immer darum, Bilder mit Computern möglichst optimal, möglichst fotogetreu zu erzeugen. Kein Wunder, dass er ab 1978 gemeinsam mit Chuck Geschke am Xerox PARC landete, der wohl wichtigsten Denk- und Technikschmiede der frühen Tage der kleinen Computer.

Es ging um den von Xerox erfundenen Laserdrucker, den der damalige Fotokopierermonopolist gar nicht in erster Linie als Computerdrucker entwickelt hatte, sondern als Grundlage für das Fernkopieren, also für das, was wir heute Faxen nennen. Die Idee war es, das Scannen von Vorlagen und damit Umwandeln in Daten vom Ausdrucken zu trennen. Naheliegend war es, Dokumente beim Scannen in Pixel zu zerlegen, aber Warnock und Geschke hatten eine andere Idee: Die Vorlagen sollten beschrieben werden, die Wege des Laserstrahls beim Abtasten sollten in eine Programmiersprache übersetzt werden, die der Laserdrucker bei der Ausgabe wieder in Grafik zurück wandelt.

Das Adobe-Hauptquartier in San Jose (Foto via Wikimedia)
Das Adobe-Hauptquartier in San Jose (Foto via Wikimedia)

Das Projekt hieß Interpress. Xerox mit ihrem damaligen Größenwahn, der auf der langjährig geschützten Technologie der Xerografie und den dadurch eingenommen Millionen Lizenzgebühren beruhte, lehnten den Vorschlag ab, weil sie keine offene Lösung wollten. Die beiden Entwickler verließen Xerox und machten sich mit einem Unternehmen, das sie Adobe nannten, selbstständig. Hinter dem Haus der Warnocks floss der Adobe Creek – daher der Name. Mit der Fertigstellung von PostScript, ihrer Version von Interpress, begann die langjährige Kooperation mit Apple. John Warnock wurde Apple-Gründer Steve Jobs zum väterlichen Freund, der dem Vernehmen nach, einige Geschäftsentscheidungen der Mac-Firma beeinflusste.

Es war seine Frau Marva, die wohl den Anstoß für die Entwicklung fast aller Adobe-Anwendungsprogramme gab und das Unternehmen damit zum bis heute führenden Unternehmen aller kreativen Prozesse am Computer gab. Gesichert ist, dass sie berufsbedingt die Grundidee für den Adobe Illustrator hatte, aber auch am Konzept vom Photoshop hatte sie ihren Anteil. Marva und John teilten zudem das große Interesse an der Typografie – sie wollten einfach, dass Schrift am Computerbildschirm und im Ausdruck GUT aussieht.

John Warnock 2008, fotografiert von seiner Frau Marva (via Wikimedia)
John Warnock 2008, fotografiert von seiner Frau Marva (via Wikimedia)
Mit dem Apple Macintosh gab es zumindest schon einmal eine Maschine, die grundsätzlich dazu in der Lage war, und der Apple Laserwriter wurde zum ersten PostScript-Drucker überhaupt. Ohne diesen Bereich je so zu nennen, wurden Marva und John Warnock zusammen mit Chuck Geschke zu den Eltern des Desktop Publishing. Die Bindung zu Apple war in den Achtzigerjahren so eng, dass alle neuen Adobe-Anwendungen zunächst für den Mac verfügbar waren und manche erst vier, fünf Jahre nach Einführung auch auf Windows-PC liefen.

Das galt nicht für PostScript, die Seitenbeschreibungssprache, die von vornherein offen zugänglich war. Denn Warnock und Geschke wussten, dass sich ihr Baby nur durchsetzen würde, wenn möglichst viele, idealerweise alle Laserdrucker aller Hersteller PostScript verstehen würden. Allerdings: Wie PostScript-Daten letztlich am Drucker in Rastergrafik übersetzt wurden, hielten sie über lange Zeit geheim. Weniger, weil dieser Vorgang kompliziert war, sondern vielmehr, weil Warnock beim Erzeugen von Schrift trickste, indem er die Zeichen so streckte oder stauchte, dass sie ins druckbare Raster passten.

Das Portable Document Format (PDF) war aus Johns Sicht die logische Fortsetzung von PostScript. Nur dass im Gegensatz zum Faxen und Laserdrucken erreicht werden sollte, dass Dokumente jeder Art so beschrieben werden konnten, dass sie auf jedem Rechner, der das PDF-Format verarbeiten konnte, exakt gleich ausgeben werden konnte. Überspitzt ausgedrückt: Was PostSript für den Drucker, war PDF für den Bildschirm.

Immer noch wichtig: Der Adobe Acrobat Reader (Screenshot)
Immer noch wichtig: Der Adobe Acrobat Reader (Screenshot)
Und mit PDF ging Adobe wieder den Weg, den Xerox in Sachen PostScript abgelehnt hatte: Die Definition des Formats selbst war offen, die Technologie, ein Dokument in PDF zu verwandeln, aber nicht. Dafür gab (und gibt) es Adobe Acrobat. Der klügste Schachzug und eine der letzten Unternehmensentscheidungen, an denen John Warnock persönlich beteiligt war, bestand darin, den Acrobat Reader als Freeware zu veröffentlichen. Dass es anfangs nur möglich war, PDFs per Acrobat zu erzeugen, lag weniger am Wunsch, auf diesem Feld Monopolist zu bleiben, als daran, dass es in den frühen Nullerjahren noch einigermaßen schwierig war, entsprechende APIs und Bibliotheken zu schreiben.

Menschen, die John Warnock persönlich kennengelernt haben, beschreiben ihn als freundlichen und neugierigen, als feinsinnigen und offenen Menschen. Also als einen Typen, der sich von vielen anderen Computerhelden, die mehr Unternehmer waren als Ingenieure, sehr unterschied. PostScript und PDF werden lange über seinen Tod hinweg Monumente seines Schaffens bleiben.

[Bildnachweise – Adobe-Headquarter: Coolcaesar via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0; Warnock 2008: Marvalous via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0]

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