So sah Altavista zuletzt (2005) aus... (Screenshot)

Fast vergessen (13): Was wurde eigentlich aus Altavista?

So um 1994 herum eine „Suchmaschine“ für das World Wide Web zu entwickeln, war schon eine schräge Idee, tummelten sich doch erst dank des ersten brauchbaren Browsers namens „Mosaic“ von 1991 kaum mehr als 100.000 Menschen in diesem Hypertext-Universum, vor allem Forscher aller Art. Das Gros der Websites, die noch niemand „Homepages“ nannte, befasste sich mit wissenschaftlichen Projekten, mit Statistiken und Lieferketten. Die URLs tauschte man meist per Mail, per Fax oder am Telefon aus. Und eigentlich waren die Erfinder der ersten Suchmaschine auch nicht besonders visionär, ihnen ging es in erster Linie darum, ein Tool zum Durchstöbern großer, disparater Datenbestände zu entwickeln.

Wer hat’s erfunden? DEC, die Digital Equipment Corporation, die Mutter der legendären PDP-11 und anderer sogenannter „Minicomputer“ hat’s erfunden. Beziehungsweise: Die DEC-Entscheider ließen Louis Monier, Joella Paquette und Paul Flaherty freie Hand, weil die überzeugend darlegen konnten, dass Altavista (übersetzt so viel wie „Überblick“) die Leistungsfähigkeit von DEC-Servern beweisen würde.

So sah Altavista beim Start im Jahr 1996 aus (Screenshot)
So sah Altavista beim Start im Jahr 1996 aus (Screenshot)

Nun waren bis Ende der Achtzigerjahre sämtliche Volltextsuchalgorithmen ausentwickelt, sodass die Problematik bei der Altavista-Entwicklung woanders lag, nämlich bei der Frage, wie man (möglichst) alle Webadressen einsammeln könnte, denn ein generelles Verzeichnis gab und gibt es bis heute nicht. Apropos: Die anschwellende Fülle der Websites für Otto und Lise Normalsurfer in den Griff zu kriegen, führte etliche Unternehmen dazu, WWW-Kataloge herauszugeben, ja, tatsächlich vielfach auch in gedruckter Form. Problem: War eine Auflage im Handel, war sie schon veraltet.

Nun hatte ein gewisser Matthew Gray am MIT aber im Juni 1993 einen ersten Webcrawler namens „Wanderer“ in die Welt gesetzt, einen Robot, der sich selbstgesteuert durchs Netz bewegte und URLs einsammelte. Dabei war er nur dazu gedacht, so das Wachstum des WWW zu messen. Aber mit dem Wanderer war auch die Technologie der Webcrawler in der Welt. Heutzutage existieren buchstäblich Millionen solcher Bots, und es heißt, sie seien für bis zu 40 Prozent des Datenverkehrs im Internet verantwortlich.

So sah Altavista in seiner Blütezeit um 2000 herum aus
So sah Altavista in seiner Blütezeit um 2000 herum aus

Die Jungs von DEC hatten also alle Tools, die es brauchte, um das weltweite Web durchsuchbar zu machen. Es stellte sich – wie auch bei den anderen Versuchen mit Suchmaschinen heraus – dass Altavista für eine sinnvolle Arbeit unglaublich viel Bandbreite bei der Datenkommunikation sowie enorm viel Speicher und Rechenkapazität brauchte – und das, obwohl es damals noch keine Billionen Webadressen gab. Also konzentrierten sie sich auf die Optimierung der Programmierung aller Bestandteile und waren dabei so erfolgreich, dass digital.altavista.com 1996, nachdem das Forschungsprojekt für jedermann:frau nutzbar wurde, auf Anhieb zur meistgeklickten Webadresse weltweit wurde.

Die Entwickler selbst waren nicht wirklich visionär, dafür aber die nie genannten Projektmanager. Die kamen freischwebend und ohne Vorbild auf eine Reihe von Ideen, die sich schon seit Googles Anfangstagen in beinahe allen Suchmaschinen finden. So gab es schon in der zweiten Version von Altavista 1997 einen Ranking-Algorithmus, der die gefundenen Adressen nach Relevanz sortierte. Außerdem wurde etwa zur selben Zeit angeboten, auf den Altavista-Ergebnisseiten kontextbezogen Werbung zu schalten. Und schließlich ließ man die Programmierer den ersten funktionsfähigen maschinellen Übersetzer bauen: Babel Fish – so benannt nach den Dolmetscherorganismen, die sich die Leute im legendären Roman Per Anhalter durch die Galaxis ins Ohr steckten, um so jedes gesprochene Idiom zu verstehen.

Eine Visualisierung des WWW (Abb.: Facebook / 2010)
Eine Visualisierung des WWW (Abb.: Facebook / 2010)

Nützte alles nichts, denn DEC ging dank einiger Fehlentscheidungen so sehr den Bach herunter, dass man sich 1998 von Compaq kaufen lassen musste. Sämtliche, wirklich alle Softwareentwicklungsprojekte wurden sofort gestoppt, die Programmierer freigestellt. Das war’s dann mit dem Fortschritt; Altavista wurde in ein eigenes Unternehmen ausgelagert, das selbst Geld verdienen sollte, was nicht gelang. Da war Google schon da und wuchs mit der Geschwindigkeit einer Epidemie, vor allem dank des Rankings. Man versuchte es bei Altavista noch mit einer anderen Suchmaschine, deren Ergebnisse manuell kuratiert wurden.

2003 übernahm Overture, der Konzern hinter Yahoo, die Altavista-Company und ließ beide Suchmaschinen rund sechs Jahre lang parallel laufen. Ab Anfang 2010 wurden dann Anfragen an Altavista gleich auf Yahoo umgeleitet, und mit dem Jahresende wurde Altavista final eingestellt. Vielleicht hätte diese Urmutter der Suchmaschinen überleben und Google ernsthaft ins Gehege kommen können, wäre es nicht ausgerechnet an einen Konkurrenten verkauft worden. Man stelle sich vor, eine mutige Truppe Risikokapitalisten hätte investiert und die Innovationen vorantreiben lassen, an denen man noch zu DEC-Zeiten gearbeitet hatte. Kaum auszudenken…

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