Die gute alte Festplatte: hier eine Seagate ST33232A (Foto: Eric Gaba via Wikimedia - siehe Bildnachweis unten)

Wo sind all die Daten hin? Ein Requiem für verlorengegangene Mails, Texte und Fotos

Haben wir nicht alle schon einmal Daten verloren, die wir für unverzichtbar hielten? Mailarchive, besonders wichtige Texte und digitale Fotos, die uns als Erinnerungsstützen dienten? Bestimmt. Und meistens waren wir selber schuld… Zeit also, ein Requiem für all die verlorengegangenen Dateien zu komponieren.

Mein persönlich tragischster Datenverlust betraf, ja, wirklich, einen fast fertigen Roman. Es handelte sich um eine Mischung aus Fantasy und Science Fiction, ziemlich wild und wirr. Aber ich hatte Hoffnungen. Verfasst habe ich das (Mach)Werk zwischen ungefähr 1994 und 1997. Und zwar auf meinem geliebten Apple Powerbook 170. Ein nicht ganz leichter Kasten mit einer – ta-taaaaa – 10-Megabyte-Festplatte. Das war damals eine Menge Holz.

Das Powerbook-Stuffit-Desaster

Aber weil ich auf dem Dickbuch auch noch anderes Zeug zu speichern hatte, reichte die Kapazität an allen Ecken und Enden nicht. Aufrüsten ging nicht, weil die Harddisk nicht auswechselbar war. Eine externe Festplatte ließ sich nicht anschließen, und beim Auslagern auf Disketten erreichten die Stapel schonmal Tischplattenhöhe. Die Lösung schien Stuffit zu heißen. Kennt man heute noch: Eine Komprimierungssoftware für Mac. Und zwar eine, die Daten in Echtzeit komprimierte!

Apple Powerbook 170 - samt schicker Original-Designer-Tasche (eigenes Foto)
Apple Powerbook 170 – samt schicker Original-Designer-Tasche (eigenes Foto)

Wenn man eine Datei beim oder nach dem Bearbeiten speicherte, ging Stuffit zu Werke und komprimierte, was das Zeug hielt. Und das – bedingt durch die Eigenheiten des Mac-OS jener Jahre – mit großem Erfolg. Plötzlich passten gut 40 Prozent mehr Daten auf die 10-MB-Platte. Man gewöhnt sich an sowas. Und vergisst die Risiken. In diesem Fall die Warnung, die nominelle Kapazität der Harddisk um mehr als einen bestimmten Faktor zu überschreiten. Vermutlich hatte ich aber schon so um die 13,5 Megabyte draufkomprimiert, und eines Tages ging gar nichts mehr. Nach dem Einschalten konnte ich mit keinem Programm mehr irgendwelche Dateien öffnen.

Um eine noch weitere zehn(!) Jahre dauernde Geschichte kurz zu machen: Selbst die ausgebufftesten Datenretter, die ich in Anspruch nahm, ja, nicht einmal die Techniker von Stuffit, denen ich das Powerbook 2004 für teuer Geld nach Amerika schickte, bissen sich die Zähne aus. Der wunderbare Roman blieb verschollen, und so um 2012 herum stiftete ich meinen tragbaren Mac samt Designertasche einem befreundeten Mac-Sammler.

Das Mailclient-Umstiegs-Ereignis

Nicht viel weniger tragisch der Verlust von an die 1.000 E-Mails, für den ich aber gar nicht viel konnte. Mit einem bekannten Bestsellerautor verband mich über gut zwölf Jahre eine intensive Freundschaft, die sich vor allem in einem auf jeder Ebene spannenden Mailwechsel zwischen etwa 1986 und 1994 ausdrückte. Wir diskutierten über Gott und die Welt, und von diesem hochbegabten Soziophobiker habe ich unendlich viele Denkanstöße empfangen. Wie er so war (und nach allem, was man weiß, immer noch ist) verkrachten wir uns heftig, der Austausch brach ab, aber er hetzte mir dann noch über drei, vier Jahre seinen Anwalt auf den Hals. Deshalb sei er hier auch nicht namentlich genannt.

Meg Ryan im niedlichen Film "e-m@il für Dich"
Meg Ryan im niedlichen Film „e-m@il für Dich“

Jedenfalls: Keine Ahnung, ob außer mir überhaupt noch irgendwer Mailwechsel über so lange Zeiträume archiviert. Nach dem Desaster, von dem gleich die Rede sein wird, habe ich das aufgegeben. Wirklich wichtige E-Mails, also wichtig für MICH, speichere ich inzwischen einfach als Textdateien ab. So habe ich beispielsweise die digitale Korrespondenz mit der Frau an meiner Seite, aus der Zeit als wir uns noch nicht täglich sehen konnten, auf diese Weise gesichert. Hach, waren wir romantisch…

Der eingangs erwähnte Mailwechsel fiel einem Softwarewechsel zum Opfer. Als Microsoft-Skeptiker und Mozilla-Fan hielt ich es vor vielen, vielen Jahren für eine prima Idee, auf Thunderbird als Mailclient umzusteigen. Das funktionierte im Prinzip gut. Ich hatte nur übersehen, dass beim Transfer Mails nicht von Outlook auf Thunderbird übertragen werden, die im Microsoft-Mailclient als archiviert gekennzeichnet waren. Blöderweise war das aber bei allen Mails der Fall, die ich vor dem Verschwinden sichern wollte. Leider bemerkte ich das erst, nachdem ich die Outlook-Daten ratzeputz gelöscht hatte – Backup inklusive.

Das Nicht-gespeicherte-Änderungen-Syndrom

Seien wir ehrlich: Da fügt man einem Text ein paar Zeilen hinzu und schließt die Datei, bevor man sie gespeichert hat. Heute meist kein Problem, weil die Apps im Hintergrund Wiederherstellungsversionen anlegen, zu Zeiten von Wordstar und Wordperfect aber oft ärgerlich. Je länger der nicht gesicherte Text, umso ärgerlicher.

Wordstar - die erste richtige Textverarbeitung
Wordstar, das Ding mit dem Hilfefenster – was für Weicheier, denn Cracks kannten die Befehle alle auswendig!

Mein persönlicher GAU in dieser Hinsicht betraf einen kompletten Artikel über die Comdex 1988 in Las Vegas. Mangels wirklich tragbarer Computer hatte ich vor Ort einen Portablen im Nähmaschinenformat angeschafft, der in meinem Hotelzimmer darauf wartete, dass ich die Erkenntnisse des Tages in flüssige Worte kleidete. Manchmal fuhr ich auch zwischendurch zwei-, dreimal in mein vorübergehendes Zuhause, um den Bericht zu ergänzen.

Hektisch war’s. Vor allem, weil ich im Schnitt alle anderthalb Stunden eine Pressekonferenz in irgendeiner Suite zu besuchen hatte, um dort handschriftliche Notizen aufzunehmen. Ich kann es mir heute nur so erklären, dass ich die Datei mit meinem Bericht nur einmal gespeichert hatte, nämlich nach dem Eintippen der Headline. Tatsächlich lief der PC drei Tage lang rund um die Uhr, Wordstar und der Text in progress immer geöffnet. Vor der Abreise wurde es hektisch. Ich zog den Stecker… Kein Happy End.

Der Datenhimmel

Irgendwo da oben schweben vielleicht die armen, verlorengegangenen Daten, die eigentlich wichtig hätten werden sollen, die aber dann noch nie an die geneigte Öffentlichkeit gelangten. Ihnen ist dieses Requiem gewimdet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert