Es wird im Jahr 1985 gewesen sein. Die Hauszeitschrift von Data Becker hieß noch „Data Welt“, und wir in der Redaktion testeten alles, was nicht bei Drei auf dem Baum war, besonders gern natürlich Hardware. Weil der Drucker damals noch der natürliche Feind des Menschen war, stürzten wir uns mit Vorliebe auf die nagelnden Nadeldrucker – immer auf der Suche, der genauso gut funktionierte wie der damals schon legendäre Epson FX-80. Bei dem musste man nicht so viele DIP-Schalter legen, damit am Ende rauskam, was der Computer vorne reinschob. Allerdings: Der war teuer, so teuer, dass sich Otto Normalhomecomputerfreak den sich kaum leisten konnte. Da erhielten wir eines Tages Post aus Sömmerda. Absender war das Kombinat Robotron, und man bot uns einen Drucker zum Test an.
Besuch vom Geheimdienst
Man wüsste gern, so die beiden auffällig Unauffälligen, welche Personen aus dem Hause zum Test der DDR-Hardware vorgesehen wären und wie die Angelegenheit vonstattengehen solle. Vorgestellt haben sich die Männer nicht; die Aussage, sie wären für die Sicherheit der Bundesrepublik zuständig, musste reichen. Als ich mitteilte, dass wir einen eigenen Computer mit zu den Robotron-Vertretern nehmen wollten, horchten sie auf und schlugen vor, diesen Rechner genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie stellten sich beim Durchforsten der gespeicherten Daten auch ganz geschickt an und zogen ab.
Pfiffige DDR-Ingenieure
Also fuhren wir an einem feuchtkalten Tag im frühen Winter zur Graf-Adolf-Straße 45, dem Sitz der DDR-Mission, den tragbaren PC im Gepäck. Die Handelsvertretung residierte auf zwei Etagen in einem eher hässlichen Bau im Bahnhofsviertel, gleich neben dem Savoy-Kino. Man empfing uns herzlich und geleitete uns in einen Besprechungsraum, wo Kaffee und Schnittchen auf uns warteten. Immerhin sieben Personen waren für unseren Besuch abgestellt, darunter zwei direkt aus Sömmerda herbeigeholte Techniker. Aber zuerst wurde uns eine längliche Präsentation über den technischen Fortschritt der DDR, die Bedeutung der Computertechnik dort und das Kombinat Robotron, seine Geschichte und seine Zukunft zugemutet. Besonders stolz war man darauf, dass die staatstreuen Ingenieure ohne Zugang zum Fachwissen des Westens viele Dinge quasi selbst erfunden hätten.
Solide Technik
Als wir mit dem Test und den Gesprächen mit den Robotron-Experten fertig waren und uns anschickten die Handelsvertretung wieder zu verlassen, bat uns einer der Mitarbeiter dort um ein Gespräch. Es sei ja so, da wolle er gar nicht um den heißen Brei herumreden, dass positive Berichte über den Drucker für Robotron, ja, für die DDR an sich, äußerst wichtig seien. Wir wüssten ja, dass sein Staat nicht nur Anschluss ans Weltniveau auf dem Gebiet der Datentechnik suchten, sondern doch sehr, sehr, sehr auf den Export hochwertiger Güter angewiesen sei. Ein freundlicher Testbericht könne helfen, Vertriebswege in der BRD zu öffnen. Dann plauderten wir noch ein wenig. Und am Ende eröffnete uns der sympathische Typ, dass wir den soeben getesteten Drucker selbstverständlich als Dauerleihgabe mitnehmen dürften – was wir auch taten.
Was soll ich sagen: Der 9-Nadeldrucker aus Sömmerda mauserte sich bald zum Lieblingsdrucker der Redaktion: Er funktionierte immer, lief an fast jedem Homecomputer und neigte auch nicht dazu – wie viele seiner Kollegen – das Endlospapier beim Bedrucken zu zerfetzen. Ganze Buchmanuskripte konnte man ihm unbeaufsichtigt zum Fraß vorwerfen, er schaffte sie alle. Tatsächlich war dem Robotron-Printer ein gewisser Verkaufserfolg beschieden, auch wenn er es nie schaffte, bei den wichtigen Ketten wie VOBIS gelistet zu werden. Ob wir Robotron-Geräte bei Data Becker im Laden an der Merowingerstraße anboten, weiß ich nicht mehr; verdient hätte er es, und vermutlich hätte ich mir damals auch einen für den Privatgebrauch angeschafft.
[Bildnachweis – Titelfoto: Bundesarchiv, Bild 183-W0104-014 / CC-BY-SA 3.0; Graf-Adolf-Straße 45: via Google Streetview; Drucker (beide): via robotron-net.de]