Die pfiffigen Ingenieure vom Kombinat Robotron in den 80ern (Bundesarchiv, Bild 183-W0104-014)

Fast vergessen (2): Robotron, Sömmerda – Oder: Wie wir einmal vom bundesdeutschen Geheimdienst durchleuchtet wurden

Es wird im Jahr 1985 gewesen sein. Die Hauszeitschrift von Data Becker hieß noch „Data Welt“, und wir in der Redaktion testeten alles, was nicht bei Drei auf dem Baum war, besonders gern natürlich Hardware. Weil der Drucker damals noch der natürliche Feind des Menschen war, stürzten wir uns mit Vorliebe auf die nagelnden Nadeldrucker – immer auf der Suche, der genauso gut funktionierte wie der damals schon legendäre Epson FX-80. Bei dem musste man nicht so viele DIP-Schalter legen, damit am Ende rauskam, was der Computer vorne reinschob. Allerdings: Der war teuer, so teuer, dass sich Otto Normalhomecomputerfreak den sich kaum leisten konnte. Da erhielten wir eines Tages Post aus Sömmerda. Absender war das Kombinat Robotron, und man bot uns einen Drucker zum Test an.

Graf-Adolf-Straße 45, damals Sitz der DDR-Mission - heute mit Gerüst und Spielsalon
Graf-Adolf-Straße 45, damals Sitz der DDR-Mission – heute mit Gerüst und Spielsalon
Wir könnten das Gerät in der Handelsvertretung der DDR in Düsseldorf auf Herz und Nieren prüfen, müssten aber einen PC mitbringen. Kein Problem, hatten wir damals doch eine dieser Reisenähmaschinen im Pool, also einen IBM-Kompatiblen mit LC-Display an der Seite und Tastatur zum Abnehmen. Nun herrschte in jenen Jahren noch der kalte Krieg, der durch die Nachrüstung sogar wieder verschärft worden war. Als Computerladen mit dem kommunistischen Erzfeind in solch engen Kontakt zu treten, erschien uns nicht unproblematisch. Also suchten wir das Gespräch mit den hiesigen Behörden in Gestalt des Bundesinnen- und des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Sache ginge okay, verlautbarte man. Aber nur wenige Tage später bekamen wir Besuch von zwei Herren.

Besuch vom Geheimdienst

Man wüsste gern, so die beiden auffällig Unauffälligen, welche Personen aus dem Hause zum Test der DDR-Hardware vorgesehen wären und wie die Angelegenheit vonstattengehen solle. Vorgestellt haben sich die Männer nicht; die Aussage, sie wären für die Sicherheit der Bundesrepublik zuständig, musste reichen. Als ich mitteilte, dass wir einen eigenen Computer mit zu den Robotron-Vertretern nehmen wollten, horchten sie auf und schlugen vor, diesen Rechner genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie stellten sich beim Durchforsten der gespeicherten Daten auch ganz geschickt an und zogen ab.

Solide Technik in den Robotron-Druckern jener Jahre
Solide Technik in den Robotron-Druckern jener Jahre
Dafür wurden ein Kollege und ich wenig später zu einem Gespräch einbestellt, das auf dem Gelände der Bundeswehr stattfand. Wir wurden getrennt befragt, mussten zuvor aber einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Dabei ging es vor allem darum, ob wir Verwandtschaft in der DDR hätten, ob und wie unsere Karrieren bei der Bundeswehr verlaufen seien und ob wir auch wirklich fest auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. Anscheinend fielen unsere Angaben zur Zufriedenheit des Geheimdienstes (Wir erfuhren nie, welche Instanz sich mit uns beschäftigt hatte.) aus. Eine schriftliche Genehmigung gab es nicht; anscheinend war die Tatsache, dass man uns durchleuchtet hatte, bereits streng geheim.

Pfiffige DDR-Ingenieure

Also fuhren wir an einem feuchtkalten Tag im frühen Winter zur Graf-Adolf-Straße 45, dem Sitz der DDR-Mission, den tragbaren PC im Gepäck. Die Handelsvertretung residierte auf zwei Etagen in einem eher hässlichen Bau im Bahnhofsviertel, gleich neben dem Savoy-Kino. Man empfing uns herzlich und geleitete uns in einen Besprechungsraum, wo Kaffee und Schnittchen auf uns warteten. Immerhin sieben Personen waren für unseren Besuch abgestellt, darunter zwei direkt aus Sömmerda herbeigeholte Techniker. Aber zuerst wurde uns eine längliche Präsentation über den technischen Fortschritt der DDR, die Bedeutung der Computertechnik dort und das Kombinat Robotron, seine Geschichte und seine Zukunft zugemutet. Besonders stolz war man darauf, dass die staatstreuen Ingenieure ohne Zugang zum Fachwissen des Westens viele Dinge quasi selbst erfunden hätten.

So wurde der Präsident 6320 im Westen beworben
So wurde der Präsident 6320 im Westen beworben
Tatsächlich war das Knowhow der Techniker verblüffend, obwohl sie die Legende von den nicht vorhandenen Informationen aus dem Westen rasch relativierten. Man stehe in engem Austausch mit Epson, hieß es, und man werde den FX-100 demnächst in Lizenz herstellen und im gesamten Ostblock ausliefern. Und, ja, natürlich habe man IBM-kompatible Rechner zur Verfügung und kenne sich mit MS-DOS prima aus – sonst wäre es ja gar nicht möglich gewesen, einen eigenen Drucker für den Export zu entwickeln. Das Gerät, ich glaube mich zu erinnern, dass es auf den Namen „Präsident“ hörte, beeindruckte uns nachhaltig. Nicht nur, dass es in Sachen Kompatibilität voll auf der Höhe war, auch die ungeheure Stabilität bis ins kleinste Teil überraschte uns positiv. Von den reinen Leistungsdaten her war die schwere Kiste allerdings auch nur Durchschnitt. Unser Redaktionsexperte meinte noch: Das Ding kriegste nie kaputt.

Solide Technik

Als wir mit dem Test und den Gesprächen mit den Robotron-Experten fertig waren und uns anschickten die Handelsvertretung wieder zu verlassen, bat uns einer der Mitarbeiter dort um ein Gespräch. Es sei ja so, da wolle er gar nicht um den heißen Brei herumreden, dass positive Berichte über den Drucker für Robotron, ja, für die DDR an sich, äußerst wichtig seien. Wir wüssten ja, dass sein Staat nicht nur Anschluss ans Weltniveau auf dem Gebiet der Datentechnik suchten, sondern doch sehr, sehr, sehr auf den Export hochwertiger Güter angewiesen sei. Ein freundlicher Testbericht könne helfen, Vertriebswege in der BRD zu öffnen. Dann plauderten wir noch ein wenig. Und am Ende eröffnete uns der sympathische Typ, dass wir den soeben getesteten Drucker selbstverständlich als Dauerleihgabe mitnehmen dürften – was wir auch taten.

Was soll ich sagen: Der 9-Nadeldrucker aus Sömmerda mauserte sich bald zum Lieblingsdrucker der Redaktion: Er funktionierte immer, lief an fast jedem Homecomputer und neigte auch nicht dazu – wie viele seiner Kollegen – das Endlospapier beim Bedrucken zu zerfetzen. Ganze Buchmanuskripte konnte man ihm unbeaufsichtigt zum Fraß vorwerfen, er schaffte sie alle. Tatsächlich war dem Robotron-Printer ein gewisser Verkaufserfolg beschieden, auch wenn er es nie schaffte, bei den wichtigen Ketten wie VOBIS gelistet zu werden. Ob wir Robotron-Geräte bei Data Becker im Laden an der Merowingerstraße anboten, weiß ich nicht mehr; verdient hätte er es, und vermutlich hätte ich mir damals auch einen für den Privatgebrauch angeschafft.

[Bildnachweis – Titelfoto: Bundesarchiv, Bild 183-W0104-014 / CC-BY-SA 3.0; Graf-Adolf-Straße 45: via Google Streetview; Drucker (beide): via robotron-net.de]

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