Ventura Publisher - schön, aber kompliziert

Gibt’s DTP eigentlich noch? Kleine Weltgeschichte des Desktop-Publishing

Der flachste Witz rund ums Thema stammt vom Anfang der Nullerjahre und ging so: „DTP? Das ist doch Quark.“ Gemeint war natürlich das Desktop-Publishing-Programm QuarkXPress, das damals marktbeherrschend war. Dessen überwältigender Erfolg hat ursächlich mit dem grandiosen Weg aus der Krise der Firma Apple dank Steve Jobs zu tun. Denn nachdem his Steveness den Laden auf links gedreht hatte, trat der Mac ab etwa 1998 seinen Siegeszug durch die Welt der Grafik-Designer an. Wer in der Werbebranche bis dahin noch nicht oder nicht mehr auf die Rechner mit dem MacOS gesetzt hatte, der stieg um. Und weil Desktop-Publishing da den Kinderschuhen längst entwachsen war, griffen die Apple-Fans unter den Gestaltern zu der DTP-Software, die am besten zum Mac passte: QuarkXPress eben.

Pagemaker - aus den Anfangstagen des DTP
Pagemaker – aus den Anfangstagen des DTP

Entwickelt hatte das Ding, das alle nur kurz „Quark“ nennen, ein gewisser Tim Gill, der dieser Marke mit dem angebissenen Obst schon seit den Tagen des Apple II treu ergeben war. Rückblickend ist Quark einer der Ureltern des Desktop-Publishing – neben dem PageMaker und dem Ventura Publisher, die bereits seit Längerem in den ewigen Jagdgründen der Software weilen. Erst mit Adobes InDesign bekam Quark ernsthafte Konkurrenz, und heute teilt sich die DTP-Welt fein zwischen diesen beiden Systemen auf.

QuarkXPress - immer noch eine gute Wahl für Profis
QuarkXPress – immer noch eine gute Wahl für Profis

Auch wenn der Hype ums Desktop-Publishing erst ab etwa 1986 so richtig Fahrt aufnahm, das bis dahin noch namenlose Anwendungsgebiet ist wesentlich älter. Es begann alles mit dem langsamen Umstieg vom Gutenberg’schen Bleisatz auf den Foto- bzw. Lichtsatz, der in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts begann. Noch Mitte der Siebzigerjahre wurde nämlich das Gros der Tageszeitungen nach guter, alter Tradition mit Bleisatzmaschinen produziert, die von stolzen Schriftsetzern bedient wurden, die sich als wahre Könige der Druck- und Zeitungshäuser verstanden. Um die Druckformen für den Buchdruck und dessen für die Produktion von Zeitungen verwendeten Rotationsdruck zu erzeugen, bauten Metteure aus diesen in Blei gegossenen Zeilen und Klischees (für Abbildungen und Fotos) die Seiten zusammen. Aus den einzelnen Seiten wurden schließlich Bögen zusammengestellt, mit denen dann das Buch oder die Zeitung gedruckt wurde.

1953: Schriftsetzer bei der Arbeit (Foto: Deutsche Fotothek)
1953: Schriftsetzer bei der Arbeit (Foto: Deutsche Fotothek)

Der schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erdachte Fotosatz, der sich ab den Fünfzigerjahren dann in umgebauten bzw. angepassten Bleisatzmaschinen fand, funktioniert völlig anders. Hier wurden (und werden teilweise noch) die Seiten im Klebeumbruch zusammengestellt. Das heißt: Textblöcke wurden eingetippt, als Fahnen gedruckt und dann händisch zerschnitten und in Matrizen geklebt, Bilder wurden entsprechend eingefügt. Das Ergebnis wurde dann aber nicht in Blei gegossen, sondern auf Film ausbelichtet. Erst 1959 kam eine erste Fotosatzmaschine nach Deutschland, und es dauert bis zum Beginn der Linotype-Ära etwa zehn Jahre später bis sich der Fotosatz in allen Bereichen außer dem klassischen Buchdruck und den Tageszeitungen durchsetzte.

Ein Linotron-505-Arbeitsplatz im Jahr 1969
Ein Linotron-505-Arbeitsplatz im Jahr 1969

Der erste große Fortschritt im Fotosatz, also die Technik, die den völligen Abschied vom Blei bedeutete, war der Lichtdruck. Die Zeichensätze der verwendeten Schriftarten waren digital gespeichert, konnten abgerufen und dann per Kathodenstrahlröhre oder später Laserstrahlen direkt auf Film belichtet werden. Dahinter steckten anfangs allerdings mit Lochstreifen gefütterte Elektronenhirne. Der Übergang zu dem, was wir heute DTP nennen, ereignete sich als es möglich wurde, Seiten am Computer zu komponieren. Die entsprechenden Geräte nannte man deshalb auch Composer, sie hatten starke Ähnlichkeit mit den etwa gleichzeitig erscheinenden persönlichen Computern, verfügten also über Tastatur und Bildschirm, Speicher und Schnittstellen.

Ein typisches Beispiel des Übergangs fand um 1984 herum im Hause Data Becker bei der Produktion der Computerzeitschrift Data Welt statt. Die Filme als Druckvorlagen wurden bei der Setzerei Graf & Pflügge an einer Linotype hergestellt. Anstatt aber erst dort die Texte und Abbildungen zu erfassen, wurden sie mit einem selbstentwickelten Redaktionssystem in den Redaktionsräumen eingegeben; gewünschte Auszeichnungen (Schriftart und -größe, fett, kursiv, unterstrichen etc.) im Text durch Steuerzeichen angegeben. Dank eines Konverters, der diese Steuerzeichen für die Linotye dekodierbar machte und ein speziell angefertigtes Interface zwischen einem Commodore-Diskettenlaufwerk und der Fotosatzmaschine konnten zwei Arbeitsschritte eingespart werden.

Xerox Star: Der erste Computer mit Pixelbildschirm und Maus aus dem PARC
Xerox Star: Der erste Computer mit Pixelbildschirm und Maus aus dem PARC (Foto: Hans-Nixdorf-Museum)

In diesen Tagen wurde gerade der Begriff WYSIWYG zum Zauberwort. „What You See Is What You Get“ beschrieb den Traum, dass der Anwender auf seinem Bildschirm genau das Ergebnis sah, dass er für das gedruckte Produkt anstrebte. Dass man davon überhaupt träumen konnte, hatte die digitale Welt den Erfindern im Palo Alto Research Center (PARC) der Fotokopiererfirma Rank Xerox zu verdanken, die erste pixelorientierte Bildschirme entwickelt hatten, also Display, bei denen die Ausgabe von Text nicht mehr zeilenweise in der einzigen verfügbaren Schriftart erfolgte, sondern alles Darstellbare aus Pixeln zusammengebaut wurden – eben auch Buchstaben, Ziffern und dergleichen. So wurde es möglich, am Bildschirm Texte in verschiedenen Schriftarten und -größen in normal, fett, kursiv und unterstrichen anzeigen zu lassen.

Apple Lisa (Screenshot aus einem Apple-Promo-Video von 1983)
Apple Lisa (Screenshot aus einem Apple-Promo-Video von 1983)

Wie wir wissen, waren Steve Jobs für Apple und Bill Gates für Microsoft bei ihren PARC-Besuchen 1979 von der dort vorgeführten Xerox-Maschine mit Pixelgrafikbildschirm und der zugehörigen, per Maus gesteuerten grafischen Benutzeroberfläche so beeindruckt, dass sie beide ihre Companies auf GUI und das WYSIWYG-Prinzip einschworen. Apple brachte mit der Lisa schon 1983 den ersten Computer der neuen Art heraus, bei Microsoft dauerte es bis 1987, dem Jahr, in dem mit Windows 2.0 auch IBM-kompatible Maschinen ein GUI bekamen und ansatzweise WYSIWYG konnten. Nun konnten sich Grafik-Designer daran wagen, Seiten in der Druckvorstufe am Computer zu setzen und zu komponieren. Zumal auch schon Laserdrucker und vor allem die Seitenbeschreibungssprache PostScript zur Verfügung stand.

Der Laserdrucker - ein entscheidendes Element beim Erfolg von DTP (Foto: Vintage Computers)
Der Laserdrucker – ein entscheidendes Element beim Erfolg von DTP (Foto: Vintage Computers)

Außer dem bereits erwähnten Tim Gill, der zunächst Textverarbeitungsprogramme für den Apple II geschrieben hatte, kamen auch Paul Brainerd, der Mitbegründer von Aldus, sowie John Meyer, der gemeinsam mit Don Heiskell und Lee Jay Lorenzen (allesamt zuvor Mitarbeiter von Digital Research) die kleine Firma Ventura gründeten, auf die Idee, Anwendungsprogramme für den Satz von Seiten am Computer zu entwickeln. Alle drei Unternehmen waren zu ihrer Zeit winzig und One-Trick-Ponys, die sich keine Gedanken um die Größe des Marktes für ihre Produkte machten, aber vom Thema begeistert waren. Parallel zueinander und mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen sowie weit entfernt von den existierenden Standards bei der Benutzerführung entstanden so zwischen 1983 und 1987 – wie erwähnt – QuarkXPress für den Mac sowie der Aldus PageMaker und der von Xerox vertriebene Ventura Publisher.

Adobe InDesign - der aktuelle Platzhirsch im DTP-Wald (Screenshot: Adobe)
Adobe InDesign – der aktuelle Platzhirsch im DTP-Wald (Screenshot: Adobe)

Dass hier ein vielversprechender Markt am Wachsen war, fanden die damals führenden Softwarehersteller, also vor allem Microsoft, Corel, WordPerfect und Lotus, zunächst nicht heraus. Das heute im Bereich übermächtige Adobe-Imperium, das die ehemaligen Xerox-PARC-Mitarbeiter und Entwickler von PostScript, John Warnock und Charles Geschke, 1982 gegründet hatten, hielt sich komischerweise lange aus diesem Bereich heraus und traten erst 1994 mit der Übernahme von Aldus in den Markt ein. Der Ventura Publisher war schon 1993 an Corel gefallen und mit Corel-Draw-Funktionen aufgepeppt worden. Nur Quark blieb Quark – und das bis heute.

Immer wieder poppten mehr oder weniger fruchtbare Fachdiskussionen rund ums Desktop-Publishing auf; die meisten drehten sich um die Feinheiten der Schriftsetzerei, insbesondere der Umsetzung traditioneller Verfahren ins Digitale, jahrelang ging es um Farbkalibrierung, dass also die Farben am Bildschirm möglichst exakt den später gedruckten Farben entsprachen, und die Debatten rund um PostScript füllten Bände. Heute sind die den Markt mit weitem Abstand beherrschenden Systeme QuarkXPress und Adobe InDesign einfach nur bewährte und eingeführte Werkzeuge für Menschen, die aus Ideen Gedrucktes zu machen haben. Weiterentwicklungen finden vor allem rund um den Workflow der Druckvorstufe herum statt.

Fazit: Ja, DTP gibt’s noch…

Auch wenn sich die Vision, mit DTP würde jedermann am heimischen Schreibtisch komplexe Druckwerke entwerfen, nicht bewahrheitet hat, hat sich die Idee des Desktop-Publishing im professionellen Bereich zu 100 Prozent durchgesetzt. Eines der führenden Systeme oder besser: beide zu beherrschen, ist heutzutage Grundvoraussetzung für einen Job als Grafi-Designer*in. Dabei hat DTP aber auch ganze Berufe ausgerottet bzw. deren Arbeit in das Tätigkeitsbild der Grafik-Designer*innen integriert. Nur noch ein paar Händevoll Schriftsetzer und Metteure beherrschen den Bleisatz, der in der Nische bibliophiler Druckwerke überlebt hat; Klischeemacher findet man nur noch im Kunsthandwerk, und selbst die Profession des Druckers an sich hat sich durch die Digitalisierung der Druckvorstufe grundlegend verändert. Am bedeutendsten aber: Desktop-Publishing hat die größte Revolution im Bereich der Herstellung von Büchern seit Gutenbergs beweglichen Lettern mit sich gebracht.

3 Gedanken zu „Gibt’s DTP eigentlich noch? Kleine Weltgeschichte des Desktop-Publishing“

  1. Für mich ist das Thema Desktop Publishing einfach mit Apple und dem Macintosh verbunden. Der Begriff „Desktop Publishing“ entstammt meines Wissens sogar dem Apple HQ, zumindest behauptete das Apple’s ehemaliger Evangelist Guy Kawasaki mal irgendwo … (ich glaube, es war in seinem Buch „The Macintosh Way“)

    Durch die hohe Auflösung (wenn auch in schwarz-weiß) der ersten Mac Modelle war man für DTP Aufgaben prädestiniert und da führte auch in Apple’s schwärzesten Stunden kein Weg dran vorbei. Meine erste Begegnung war aber weder mit Pagemaker oder Quark, sondern noch mit einem längst vergessenen Konkurrenzprodukt namens „Ready, Set, Go“, das für die damalige Zeit einen guten Funktionsumfang bot und für mich als Nicht-Profi einigermaßen leicht zu nutzen war.

    Letztlich dürfte das Internet dem klassischen Desktop Publishing den Todesstoß versetzt haben. Ziehen wir unseren Hut und erinnern wir uns an die Vielzahl an Branchen-Newslettern & co., die damals teils von 1-2 Mann Betrieben in Eigenproduktion entworfen und verschickt wurden – das ist alles entweder eingegangen oder Richtung Internet gewandert.

    1. Wie im Artikel ausführlich beschrieben hat niemand dem Desktop-Publishing den Todesstoß versetzt: DTP ist quicklebendig. Nur die Idee, Otto Normaluser würde mit DTP haufenweise Druckerzeugnisse komponieren und dann Massen an Papier auf die Menschheit loslassen, hat sich – zum Glück – nicht bewahrheitet. War aber wohl auch nur ein Wunschtraum der daran Verdienenden. Nein, der gute Guy Kawasaki hat den Begriff nicht erfunden; den gab’s schon ein paar Jahre bevor Steve und Steve den ersten Apple in der Garage löteten. „Ready, Set, Go“ kenne ich auch noch gut und mochte es damals sehr.

  2. Tja, DTP…die ganzen Jahre mußte ichs den Kollegen einrichten, die haben es dann auch gelernt, ich mußte immer ran, wenn sie krank waren oder bei ComputerBILD, weil die Layouter keinen Bock hatten, die Korrekturen der Chefs einzubauen, aber einen Kurs habe ich nie bekommen. Was man bei diesen Programmen aber wegen der völlig anderen Bedinung durchaus brauchen könnte.
    Das ist, was mich dran stört. Für die früheren Programme gab es ja noch ganz gute Bücher, bei In-Design nicht mehr. Und in den Videos auch von Adobe selbst werden imemr ganz tolle Super-Tricks gezeigt, aber nicht mal die Basics, wie man überhaupt mal eine Seite vernünftig einrichtet etc.
    Zweites Problem: Die Programme sind alle recht teuer.
    Beides zusammen erklärt, warum Privatleute nie ihre Briefe mit sowas schreiben werden…und selbst Verlage Bücher immer noch mit Word produzieren, was dann auch wieder dafür sorgt, daß man die Bedienung von In-Design nie lernt…

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