Hedy Lamarr und ihre kriegsentscheidende Erfindung

Hedy Lamarr – Die Hollywood-Diva, ohne die es Mobiltelefone nicht gäbe

Hedwig Kiesler, die im November 1914 geborene Wienerin, spielte als Neunzehnjährige die Eva im tschechisch-österreichischen Film „Ekstase“ und löste einen Riesenskandal aus. Denn dies war der erste seriöse Kinofilm, in der eine Schauspielerin nackt zu sehen war und zu allem Überfluss auch noch einen Orgasmus vor der Kamera mimte. Hedy, wie sie schon damals genannt wurde, war schön, aber vor allem schlau. Sie wurde vom Fleck weg nach Hollywood geholt und avancierte zu einer echten Diva zu Zeiten der großen Studios. Was die hochbegabte junge Frau von diesem Geschäft hielt, illustriert dieses Zitat: „Any girl can be glamorous. All you have to do is stand still and look stupid.“ Und während sie so ihren Beruf auffasste und sich mit den guten Gage ein recht vielfätliges Liebesleben finanzierte, machte sie sich Gedanken.

Sie nahm ab 1935 den Künstlernamen Hedy Lamarr an und bezog sich damit unmittelbar auf den weiblichen Superstar des US-Stummfilmkinos Barbara La Marr, die ebenfalls als viel zu klug für die Kinowelt galt. Über die Jahre ging sie sechs Ehen ein, zahllose Affären – sowohl mit Männern, als auch Frauen – wurden ihr nachgesagt. Nur mit dem vierzehn Jahre älteren Avantgarde-Pianisten George Antheil verband sie etwas anderes. Ab etwa 1939 waren sie Nachbarn und pflegten einen regelmäßigen, freundschaftlichen Umgang. Da hatte Antheil den Skandal seines Lebens schon hinter sich.

Der Skandalkomponist und das Rollenklavier

George Antheils Skandalballett (Quelle: antheil.org)
George Antheils Skandalballett (Quelle: antheil.org)

Ganz im Stile des Futurismus und Konstruktivismus und in einer musikalischen Linie mit Arnold Schönberg und Igor Strawinski hatte er in den Zwanzigerjahren das Ballet mécanique komponiert, das bei seiner Uraufführung aus technischen Gründen in einem legendären Desaster endete, das als einer der größten Skandale der neueren Musikgeschichte gilt.

Antheil hatte in Berlin und Paris gelebt und war mit allen Künstlern und Schrifstellern der Dreißigerjahre bestens bekannt. Und nun wohnte er in L.A. und hatte eine schöne und schlaue Nachbarin. Weil er immer noch davon träumte, ein vollautomatisches, mechanisches Ballett aufzuführen, bei dem die Instrumente von Maschinen gespielt werden sollten, hatte er sich massiv mit dem Rollenpiano befasst, also dem automatischen Klavier, bei dem die Tasten durch eine Art Lochstreifen gesteuert werden.

Hedy und George, dessen Eltern aus Deutschland stammten, machten sich große Sorgen über die Zustände in Nazi-Deutschland und darüber, wie man den Krieg gegen die Faschisten gewinnen könnte. Im Frühjahr 1940 hatte die Schlacht um den Atlantik begonnen, und immer öfter griffen deutsche U-Boote die Versorgungsschiffe der Alliierten an und versenkten sie. Die Unterseeboote der US-Marine war wesentlich weniger erfolgreich. Hedy hatte mehrere Zeitungsartikel zu dem Thema gelesen und dabei herausgefunden, dass die Lenkung der Torpedos das Hauptproblem darstellte. Anfangs steuerte man die Geschosse über Drähte, die bis zur Detonation eine direkte Verbindung zwischen U-Boot und Torpedo herstellten – die Trefferquote lag bei unter 50 Prozent. Dann kam die Funkfernsteuerung auf, die ein bisschen zuverlässiger war. Aber die Deutschen hatten herausgefunden, dass man die Steuerungssignale abhören und darauf reagieren konnte.

Erfindung unter Nachbarn

Hedy Lamarr und eine Skizze ihrer Erfindung (Quelle: popculturecondidential.com)
Hedy Lamarr und eine Skizze ihrer Erfindung

Darüber dachte die extrem erfolgreiche Diva nun nach – und hatte eine Idee: Wenn die Funkfrequenz der Steuerung schnell wechseln könnte, wäre die Gefahr von Übertragungsausfällen geringer, und die Signale könnten kaum noch abgehört oder gestört werden. Sie hatte das erfunden, was wir heute als „Frequenz-Hopping“ kennen. Nur hatte sie keinen Schimmer, wie ihre Idee praktisch umgesetzt werden könnte. Und da kamen George Antheil und sein Wissen um die Steuerung von mechanischen Klavieren ins Spiel. In wenigen Sitzungen – der Legende nach am Couchtisch in Hedy Lamarrs Haus – entwarf er im Austausch mit Hedy einen funkgesteuerten Torpedo, bei dem das Frequenz-Hopping eingesetzt werden sollte. Beide reichten die Sache gemeinsam als Patent ein, das sie auch bekamen. Dass die US-Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs von den Plänen, die ihnen Lamarr und Antheil kostenlos überlassen hatten, nie Gebrauch machten, lag vor allem an irgendwelchen Generälen mit Widerwillen gegen alles, was von Zivilisten stammten.

Hedy Lamarr hat nie viel über die Erfindung gesprochen, wenig Aufhebens davon gemacht und mehrfach betont, sie habe nur die Idee gehabt, während George Antheil der eigentliche Erfinder sei. Aber bis heute halten sich die Gerüchte, dass sie durchaus erkannt habe, dass im Frequenz-Hopping auch das Prinzip der Datenver- und entschlüsselung enthalten sei. Weiter wird verbreitet, sie habe nach dem Kriegsende in dieser Hinsicht mit den US-Geheimdiensten kooperiert und so deren Verfahren zum (damals) abhörsicheren Informationsaustausch revolutioniert.

Und was hat das mit uns in der Jetztzeit zu tun? Ganz einfach: Das Prinzip des Frequenz-Hopping ist die Basis für das Funktionieren aller Mobilfunknetze sowie der der drahtlosen Datenübertragung nach dem Bluetooth-Standard und bei den ersten Versionen der Wireless-LAN-Technik. Das verdanken wir der Hollywood-Diva, die sich nie als Schauspielerin gesehen hat, und dem Skandalkomponisten, der zufällig ihr Nachbar war.

Hedy Lamarr Vimeo

Information Pioneers: Hedy Lamarr from Information Pioneers on Vimeo.

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