Meine persönliche Zeitreise mit FaceApp

Hinterfragt: Wie böse ist FaceApp eigentlich?

Da hat der gute Jaroslaw Goncharow 2016 im schönen St. Petersburg in seinem feinen Entwicklungslabor mit dem lustigen Namen Wireless eine fröhliche App namens FaceApp gebastelt und im Januar bzw. Februar 2017 in die App-Stores für iOS und Android gestellt. Wer drauf stieß, hatte entweder Spaß an der Bildspielerei … oder nicht. Größere Downloadzahlen fanden erst einmal nicht statt. Und ganz plötzlich, quasi aus heiterem Himmel, wimmelte es auf Instagram und Facebook von Promifotos, auf denen die Berühmtheiten ganz schön alt aussahen.

Das Bild ging um die Welt: David Guetta als alter Sack dank FaceApp
Das Bild ging um die Welt: David Guetta als alter Sack dank FaceApp
Damit war Jaroslaws fröhliche App in aller Munde und auf vielen, vielen Smartphones. Nun hatte es bereits davor einige Vorwürfe gegen den Macher und das Produkt gegeben. So hab es einen Filter, mit dem jede Frau, jeder Mann angeblich hübsch aussah – tatsächlich wurde vor allem die Hautfarbe in Richtung hell gedreht. Und dann entblödete sich das Team nicht, ethnische Filter anzubieten, die aus einem x-beliebigen Gesicht ein chinesisches, indisches oder afrikanisches machte. Goncharow reagierte auf solche Kritik immer schnell und einsichtig.

Und jetzt wird plötzlich über die Datensicherheit der App debattiert. Der US-amerikanische Senator Chuck Schumer verlangt gar, dass sich das FBI mal um die App kümmert, immerhin handele es sich beim Anbieter ja um ein russisches Unternehmen. Diese Meldung war so haarsträubend, dass hierzulande die Medien voll drauf einstiegen – wie in digitalen Dingen üblich, ohne größere Recherchen zu betreiben. Das übernahm wieder einmal das österreichische Portal für Fake News und Hoaxe. Mimikama.at kann man aufgeklärten Internet-Usern sowieso gar nicht heftig genug ans Herz legen. Ja, wer bei Verstand ist, sollte jede schräge Meldung, die durch die digitalen und sozialen Medien irrlichtert, SOFORT auf Mimikama nachschlagen.

FaceApp findet alle Gesichter, die man auf dem Snartphone gespeichert hat
FaceApp findet alle Gesichter, die man auf dem Snartphone gespeichert hat
Die Leute von Mimikama haben nun FaceApp dem Ganz Großen Faktencheck unterzogen, dem wir hier eigentlich nichts hinzufügen können und wollen. Zusammengefasst ergibt sich etwa Folgendes: Die AGB von FaceApp Inc (wie das Unternehmen inzwischen heißt) ist in Sachen Datenschutz auch nicht schwammiger als die anderer Apps, die sich an Smartphone-Daten zu schaffen machen. Die Cloud, in der FaceApp die Fotos zum Bearbeiten ablegt, liegt auf AWS-Servern (also bei Amazon) und/oder bei Google – also auf US-amerikanischen Servern und nicht wie kolportiert in Russland. Die Fotos, die ein FaceApp-User zum Bearbeiten hochlädt, bleiben eine nicht näher definierte Zeit lang in der Cloud, damit sie beim erneuten Betrachtern nicht immer wieder neu berechnet werden müssen. Nur die vom User ausgewählten Fotos werden in die Cloud geladen.

Mit anderen Worten: Viel Lärm um wenig. Deswegen ist das Bohei rund um FaceApp ein feines Lehrstück dafür, wie im Westen so mit Digitalem umgegangen wird. In der virtuellen Welt ist Russland das große Böse, und Putin persönlich hat Zugriff auf alles, was die russische Staatshacker so auf russische Server ziehen. Heißt der Anbieter nicht Facebook, Twitter, Google oder Amazon, sind die AGB und Datenschutzrichtlinien – selbst, wenn sie annähernd formulierungsgleich sind – schwammig und gefährlich für die Daten der User. Überhaupt sind Daten ganz generell gefährdet, ohne dass man mal auseinandernimmt, woraus sich persönliche Daten zusammensetzen und was Abgreifer jeweils damit anfangen können.

Hunderttausende Fotos von Promis können mit den FaceApp-Filtern bearbeitet werden
Hunderttausende Fotos von Promis können mit den FaceApp-Filtern bearbeitet werden
Bei dieser teils mit atemberaubendem Unwissen betriebenen medialen Debatte rund um FaceApp wird kaum darüber geschrieben, was wirklich das Besondere an diesem Ding ist. Ja, gut, dass es irgendwas mit KI ist, wird schon erwähnt. Einer hat sogar erwähnt, dass FaceApp letztlich ein Experimentierfeld für Gesichtserkennung ist. Die zu verbessern und zu verfeinern, ist ein Thema, an dem seit Jahren viele große und auch kleine Entwicklungsfirmen arbeiten. Ziel ist es, jemanden auch dann an der Visage erkennen zu können, wenn die Person inzwischen älter als auf den bekannten Fotos ist, anders frisiert, mit Bart bewachsen und Brille tragend. Im Grunde geht es darum, Verkleidungen zu durchschauen. Wenn Algorithmen also aus einem Gesicht eines erzeugen können, dass die entsprechende Person in deutlich höherem Alter zeigt und dies nicht bloß durch Wegnehmen von Haar und Einzeichnen von ein paar Falten tut, dann sind dieselben KI-Verfahren auch umgekehrt in der Lage aus einem Gesicht alle vorstellbaren Zustände zu ermitteln. Insofern gehört FaceApp zu den Entwicklungen, mit denen das große Thema „soziale Kontrolle“, das in China Monat für Monat realer wird, vorangetrieben werden kann.

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