So präsentiert sich Kim Dotcom auf seinem Twitter-Account

Internethelden (13): Kim Schmitz aka Kimble aka Kim Dotcom

Manchmal sind vermeintliche Schurken in Wirklichkeit Helden. Und manchmal ist es umgekehrt. Über das wirkliche Leben des schweren Kerls, der nachweislich 1974 in Kiel geboren wurden, wissen wir nicht viel. Dass man ihn gemein hin eher als Schurken denn als Helden sieht, hat er selbst zu verantworten, denn das öffentliche Bild als Bad Boy hat er eigenhändig und methodisch geprägt. Ich hatte nur einmal bei irgendeinem Web-Kongress anfangs der Nullerjahre die Gelegenheit, ihm persönlich zu begegnen und ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Dabei lernte ich ihn als freundliche, höflichen jungen Mann kennen.

Zuvor war ich seinem Wirken, den Spuren davon im Internet zumal, über einige Jahre systematisch gefolgt und fand ihn total unsympathisch. Erst als ich mich – wie viele andere, die im Web lebten – daran gewöhnt hatte, zwischen den Figuren und ihren für die virtuelle Welt inszenierten Aktionen einerseits und der Echtwelt andererseits zu unterscheiden, konnte ich Kim Dotcom, wie er seit einer offiziell abgesegneten Namensänderung irgendwann um 2006 herum heißt, als Helden betrachten, ja, beinahe sogar als das, was er persönlich für sich in Anspruch nimmt zu sein: als Freiheitskämpfer im virtuellen Raum.

Dass er vermutlich wirklich ein Held ist, kann man auch daraus ableiten, in welchem Maße ihn die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie mit Feuer und Schwert verfolgt und mit welcher Brutalität das FBI und in die neuseeländischen Strafverfolgungsbehörden ihn im Januar 2012 behandelt haben. Wer solche Feinde hat, kann nicht ganz böse sein. Dieser schon lang andauernde Kampf, der längst noch nicht zu Ende ist, stellt aber nicht den ersten Fall dar, in dem unserem guten Kim schlimme Verbrechen vorgeworfen werden.

Der hochbegabte dicke Junge (Quelle: siehe Bildnachweis)
Der hochbegabte dicke Junge (Quelle: siehe Bildnachweis)
Aber beginnen wir am Anfang. Der hochbegabte dicke Junge wuchs (nach eigenen Angaben) in schwierigen familiären Verhältnissen auf. Wie Hunderte andere Bürschchen lungerte er (nach eigenen Angaben) schon so mit neun, zehn Jahren in der Computerabteilung eines Kaufhauses herum und bildete sich am C64 zum Hacker aus. Kann aber auch sein, dass er diese biografischen Angaben aus den Lebensläufen anderer Hacker vorhergehender Generationen zusammengebastelt hat. Sichtbar wird Kim ab etwa 1993 unter dem Pseudonym „Kimble“ in diversen BBSen und im frühe Usenet, wo er sich als ultrasmarter Hacker inszenierte.

Klug und geldgeil wie er immer war und vermutlich heute noch ist, betrieb er mit „Beverly Hills BBS“ und „House of Coolness BBS“ zwei Mailboxen über die man so ziemlich jede geklaute Software beziehen konnte, die man brauchte oder auch nicht. So wurden natürlich Wolfgang & Wolfgang vom WDR Computerclub auf Kimble aufmerksam, die sich natürlich auch gern in der Szene umtaten. Beeindruckt vom ausgesprochen selbstbewussten Auftreten des knapp 20-Jährigen und seine von ihm selbst erzählten hackerischen Großtaten empfahlen sie ihn diversen Redaktionen. So kam es, dass Kim Schmitz in der Sendung „Monitor“ den uralten Phone-Hack des legendären Cap’n Crunch öffentlich vorführte. Um aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ernst nahm ihn die Szene davor und danach nicht.

Aber: Klug und geldgeil wie er immer war erkannte er, dass mit dem, was damals noch Telefongebühren hieß, unter Umgehung aller legalen Möglichkeiten massig Kohle machen ließ – es war das Zeitalter der Telefonkarten, von denen er fachkundigen Schätzungen zur Folge innerhalb eines Jahres mehrere hunderttausend Stück vertickte. Wer sich in den diversen Vorgängern des Dark Net auskannte, konnte so immer ziemlich billig Fern- und Auslandsgespräche führen. Vermutlich bildeten diese Einnahmen den Grundstock für sein Vermögen, dass sich bei dessen Beschlagnahme im Jahr 2012 auf annähernd 180 Millionen US-Dollar belief. Auch bei gefälschten Kreditkarten hat er damals mitgemischt. Weil er aber rechtzeitig die Seiten wechselte und den sagenumwobenen Anwalt Freiherr von Gravenreuth bei der Jagd nach Kollegen unterstützte (manche sagen: vor allem durch Denunziation), kam er mit einer lächerlichen Strafe von zwei Jahren auf Bewährung davon.

So aber fand er sein zweites, ansatzweise legales Thema: Computersicherheit. Klug und geldgeil wie er immer war, fand er Mittel und Wege, seinen ehemaligen Hacker-Kollegen (die noch nicht ahnten, dass er sie anschmierte) zu entlocken, welche Unternehmen welche Sicherheitslücken an welchen Stellen aufwiesen. welches Wissen er den betroffenen Unternehmen für teuer Geld verkaufte. Manche behaupten, man habe ihn dafür bezahlt, dass er die Sicherheitsblindheit dieser Firmen nicht öffentlich machte. Es gelang ihm in dieser Phase glaubhaft darzustellen, dass seine (erste!) Firma namens Data Protect quasi den bestmöglichen Hacker-Schutz bot, was den TÜV Rheinland dazu brachte, ihm im Jahr 2000 80 Prozent davon für eine bisher nicht bekannte Millionensumme abzukaufen. Ohne Kim kein Protect: die Firma ging 2001 pleite.

Kim liebt dicke Mercedesse - hier der für das Gumball-3000-Rennen 1999
Kim liebt dicke Mercedesse – hier der für das Gumball-3000-Rennen 1999
Natürlich hatte sich Kimble ganz, ganz früh aufs Internet gestürzt und dessen Potenzial als Medium erkannt, also als von keinem Verlag, keinem Fernsehsender und schon gar keiner öffentlichen Institution kontrollierte Plattform für die Selbstdarstellung. Meine Güte, der Bursche war knapp über zwanzig, sah nicht besonders sexy aus, aber hatte die Taschen voller Kohle, ein überdimensionales Selbstbewusstsein gepaart mit einer gewissen Eitelkeit, der wollte zumindest als Kunstfigur ganz groß rauskommen. Und so begannen seine wilden Jahre, die von ungefähr 1997 bis zu seiner Hochzeit mit Mona (2007 oder 2008) dauerten und mit seinem Umzug nach Neuseeland im Jahr 2010 halbwegs endeten.

Es wäre eine komplette TV-Serie mit sechs Staffeln zu je 13 Folgen wert, diese Zeit mit allen Facetten abzubilden, wobei eben genau das, was Kim selbst im Bild und Bewegtbild auf seinen gigantomanischen und öfters wechselnden Websites in die Welt posaunte, den eher uninteressanten Teil ausmachen. Alle zwei Jahre stilisierte er sich als etwas anderes, beispielsweise zwischen 1999 und 2001 als junger Entrepreneur, als mutiger, Arbeitsplätze schaffender und Steuern zahlender Unternehmer der New Economy. Zwischendurch machte er seinem Pseudonym Kimble alle Ehre und war auf der Flucht, die ihn nach Hongkong und Manila führte.

Von jeder Aktion gab's Dutzende Fotos und Videos auf seiner Website
Von jeder Aktion gab’s Dutzende Fotos und Videos auf seiner Website
Er gründete hier was und da was, beteiligte sich an obskuren Firmen und sammelte für phantasievolle Projekte Risikokapital, wobei er immer ein Milliönchen zum Verprassen abzweigte. Legendär sein geschickter, voller krimineller Energie ausgeführte Schachzug rund um den scheintoten E-Commerce-Flop letsbuyit.com, der ihm 2002 mehr als eine Million Euro sowie eine Bewährungsstrafe von 20 Monaten plus 100.000 Euro Geldstrafe einbrachte. Und da war Kim Schmitz aka Kimble dann plötzlich selbst pleite, hatte aber eine mega Idee. Aus der wurde der zwischenzeitlich weltgrößte One-Click-Sharehoster namens Megaupload. War nicht sein originärer Einfall, aber weil er ein technisch sehr beschlagenes Team führte und viele Anbieter von Speicherplatz in Serverfarmen damals ein bisschen klamm waren, konnte er einen Service bieten, den die Welt brauchte: Tauschen von geklauten Filmen und geklauter Musik.

Verfolgt, aber nicht wehrlos - so inszeniert Kim sich seit 2012
Verfolgt, aber nicht wehrlos – so inszeniert Kim sich seit 2012
Nun legt man sich nicht ungestraft mit Hollywood an (siehe oben). Und bis hierher muss man Kim Schmitz dann doch mehr als Schurke betrachten. Tatsächlich aber setzte die erzwungene Abschaltung von Megaupload sowie die anschließende Verfolgung durch die US-Behörden eine Diskussion über digitale Rechte ein, deren Wirkung wirklich mit dem zu vergleichen ist, was Julian Assange und Edward Snowden rund um das Thema Datenfreiheit bewirkt haben und noch bewirken. Nein, eine Diskussion über das Für und Wider des freien Datentauschs auch von Material, das in vielen (genauer: beinahe allen) Staaten der Erde dem jeweiligen Urheberrecht bzw. Copyright unterliegt, verbietet sich an dieser Stelle.

Und so sieht Kims aktuelle Website aus...
Und so sieht Kims aktuelle Website aus…
Wie immer aber blieb dem guten Kim nichts anderes als sich zu stilisieren. Das begann mit der Umbenennung in Kim Dotcom und hat mit seiner aktuellen Selbstdarstellungs-Website kim.com noch lange nicht aufgehört. Denn der Zweimeterkoloss ist ja noch nicht einmal 50 Jahre alt. Betrachtet man aber seine Taten (soweit diese wasserdicht dokumentiert sind), so ist er eine der Figuren, die ständig den Finger auf die Wunden der digitalen Blödheit von Unternehmen und staatlichen Stellen gelegt hat. Nein, sicher nicht aus altruistischen Gründen, sondern weil er sich (nach eigenen Angaben) schon als Kind gewünscht hat, Millionär zu werden. Übrigens so bescheiden nur, weil er da das Wort „Milliardär“ noch nicht kannte.

Und hier Kim Schmitz als Talkgast bei Harald Schmidt am 9. Februar 2001:

[Bildnachweis – Der junge Kim: Andreas Bohnenstengel via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0; alle anderen: Screenshots von alten und aktuellen Kim-Websites]

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