Stephan Schambach (Foto: einheitsmomente.de)

Internethelden (8): Stephan Schambach, der Pionier, der aus dem Osten kam

Es wird im Frühjahr 2002 gewesen sein. Die große Krise nach dem Internet-Hype kündigte sich an, die Zukunft des Neuen Marktes galt als unsicher. Da hatte die Intershop AG eine Pressekonferenz im Restaurant des Frankfurter Schirn anberaumt. Gründer Stephan Schambach sollte zur Zukunft seines Unternehmens sprechen, sollte Optimismus verbreiten, denn die Aktionäre übten Druck aus, weil Intershop immer noch keine Gewinne erwirtschaftete. Dann trat er auf, sichtlich nervös, abgeschirmt von Beratern trat er ans Mikrofon. Schambach kämpfte um sein Lebenswerk, aber etwas mehr als ein Jahr später trat er zurück.

Intershop lebt! Und ist absolut auf er Höhe der Zeit
Intershop lebt! Und ist absolut auf er Höhe der Zeit
Nein, eine beeindruckende Persönlichkeit gab er an diesem Vormittag nicht ab. Der eher schüchterne Typ, dem man seine Herkunft aus Sachsen deutlich anhörte, trieb mitten im Hype um den E-Commerce und das jahrelange Bohei um seine Person und seine Vita. Die Medien hatten ihn zum Vorzeige-Ossi gemacht, aber ganz offensichtlich war er damals mehr Entwickler als Manager. Vielleicht wurde er deshalb nie als der Pionier gewürdigt, der er war. Bereits vor 1994 schuf er mit Kollegen die weltweit erste Software, mit der Online-Handel betrieben werden konnte; auf der CeBIT 1994 wurde die erste Version des Intershop-Systems präsentiert.

Aus heutiger Sicht kann man sagen: Mit seiner Weitsicht und dem Blick für das Nötige war Schambach der Mann, dem wir die Revolution des Handels, sowohl im B2C-, als auch im B2B-Bereich zu verdanken haben. Vielleicht kam er aber auch zu früh. Zwar fand die Intershop schon vor 2000 einige namhafte Kunden, aber das Geschäft warf nie genug ab, um als erfolgreich zu gelten. Nun war sein Laden auch einer der ersten, der massiv Risikokapital eingesammelt hatte. Dementsprechend groß wurde der Erfolgsdruck der Investoren. Wo später Start-up-Gründer (wie Amazons Jeff Bezos) ihre Kapitalgeber mit immer neuen Konzepten und oft auch persönlichem Charisma bei der Stange hielten, genau da hatte Stephan Schambach seine Defizite.

Der Jentower mit Intershop-Schriftzug ca. 2002
Der Jentower mit Intershop-Schriftzug ca. 2002
Dass er überhaupt zum E-Commerce-Godfather wurde, ist ein Wunder, dass mit der Wende und der Wiedervereinigung begann. Schambach war einer, der an die blühenden Landschaften glaubte und bereit war, höchstpersönlich dafür zu sorgen, dass die neuen Bundesländer wirtschaftlich mithalten konnte. Hauptsitz wurde Jena; man bezog ein paar Etagen im sanierten Jentower, eröffnete eine Niederlassung in Kalifornien und hatten zwischenzeitlich mehr als 1.200 Mitarbeiter.

Stephan Schambach zu Demandware-Zeiten (Foto: Demandware)
Stephan Schambach zu Demandware-Zeiten (Foto: Demandware)
PR-Berater brachten ihn dazu, Rhetorik- und Sprechkurse zu besuchen und verpassten ihm Outfits, die ihn weltgewandter erscheinen lassen sollten. Der Schnauzbart musste ab, und abspecken sollte er auch. 1998 war die Intershop an die Börse gegangen, ab September 2000 wurde das Papier an der NASDAQ gelistet. Und damit begann der Abstieg, denn die Aktionäre waren nicht bereit, die Kursschwankungen zu akzeptieren und warfen dem Vorstand Inkompetenz vor. Dies alles mitten in der Dotcom-Blase, die kurz vor dem Platzen stand. Stephan Schambach sah sein Baby gefährdet und trat im Juli 2003 von seinen Ämtern zurück.

Intershop existierte weiter und besteht noch heute. Schambach aber wanderte weiter, ging in die USA und gründete mit Demandware das weltweit erste Unternehmen, das E-Commerce-Lösungen als Cloud-Service anbot. Seit 2015 treibt er mit der neuen Firma NewStore den mobilen Online-Handel voran – bisher ohne sichtbare Ergebnisse.

Interview mit Stephan Schambach beim DLD 2018 in New York:

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