Funker im zweiten Weltkrieg - mit Kopfhörer (Quelle: Bundesarchiv)

Kleine Weltgeschichte der Ohr- und Kopfhörer (1)

Ich gestehe: Als ich die ersten Apple-Fan-Boys und -Girls mit den abgesägten Zahnbürstenköpfen in den Ohren rumlaufen sah, musste ich regelmäßig grinsen. Inzwischen gehört ein Paar Melanomania-1-Earbuds von Cambridge Audio zu meinem Lieblings-Gadgets. So wie vorher mein erstes Bluetooth-Headset vom Typ Sony WH-CH500. Und davor ein ebenfalls drahtloser Soundblaster Jam von Creative. Und davor ein feines AKG-Teil … und so weiter. Denn mehr als bei wohl allen anderen Mensch-Maschine-Schnittstellen ist bei Kopf- und Ohrhörern das Bessere des Guten Feind.

Die Idee, Töne direkt ans menschliche Ohr auszuliefern ist viel älter als man denkt, ja, sogar älter als das Telefon. Denn obwohl es dafür keine handfesten Beweise gibt, soll es schon kurz nach der Einführung der Morse-Telegrafie um 1845 herum so etwas wie Kopfhörer gegeben haben. Sicher ist, dass die Dinger im Umfeld von Telefonie, Telegrafie und später Funkkommunikation immer eine Rolle gespielt haben, vor allem im militärischen Bereich.

Zu den ersten Rundfunkempfängern gehörte ein Kopfhörer (Foto:  technikum29)
Zu den ersten Rundfunkempfängern gehörte ein Kopfhörer (Foto: technikum29)
Aber auch die Geschichte des Rundfunks ist mit dem Kopfhörer engsten verbunden. In deren Anfangstagen brauchte der „Radioamateur“ einen Detektorempfänger, um das Gesendete aus dem Äther zu fischen, und einen Kopfhörer, um dem Empfangenen zu lauschen. Die ersten Rundfunkempfänger mit eingebautem Lautsprecher kamen erst gegen Ende der Zwanzigerjahre zu erschwinglichen Preisen auf den Markt. Und so verschwand das Ding mit dem Bügel und den zwei Muscheln wieder aus dem Bewusstsein der Normalkonsumenten und musste wieder den Militärdienst antreten.

Von etwa 1925 bis fast 1955 blieb das Radio das, was wir heute damit verbinden: Ein Kasten mit Dreh- und Druckknöpfen sowie einem (oder mehreren) Lautsprechern an der Vorderseite. Drinnen saß ein mehr oder weniger schweres Metallchassis, an dem die empfangswichtigen Röhren und allerlei Elektrobausteine angeflanscht waren. Und obwohl es in den Dreißigerjahren tatsächlich schon tragbare Rundfunkempfänger zu haben waren, fristete das Radio ein Dasein als Möbelstück in der guten Stube.

Das änderte sich mit der Erfindung des Transistors, deren deutsche Miterfinder sofort auf die Idee kamen, die neue Technologie für Rundfunkempfänger zu nutzen, und 1953 einen Prototyp auf der Funkausstellung präsentierten. Ein Jahr später kam das erste Transistorradio auf den Markt. Diese Gattung spaltete sich alsbald auf in Kofferradios, die nicht ganz auf Röhren verzichteten, und volltransistorisierte Taschenradios – die ab etwa 1958 nicht nur in den USA zum absoluten Livestyle-Gadget der Rock’n’Roll-Jugend wurden.

Kristallohrhörer für das tragbare Transistorradio (Foto: Wikimedia)
Kristallohrhörer für das tragbare Transistorradio (Foto: Wikimedia)
Zwar konnte man Bill Haley und Elvis Presley aus dem eingebauten, kaum handtellergroßen Lautsprecher quäken lassen, aber der neueste Schrei waren Kristallohrhörer. Auch hier ist nicht gesichert, ob eine Person den Knopf im Ohr erfunden hat und wann und wo er zuerst auftauchte. Jedenfalls erweiterte der Ohrhörer das Anwendungsspektrum für Transistorradios enorm. Teenager konnten lautlos AFN hören, während die Eltern dachten, sie schlafen. Fußballfans hatten nicht selten das Radio in der Hand und den Knopf im Ohr, um so Liveübertragungen anderer Spiele zu lauschen, während sie im Stadion standen.

Ungefähr Mitte der Sechzigerjahre begann der große Boom des audiophilen Musikhörens, der bis heute andauert. Die Stereofonie war erfunden, die Aufnahmetechnik hatte sich rasant fortentwickelt, und auch bei den Verstärkern war man auf einem nie geahnten Level. Das, was ein paar Jahres später schlicht „Anlage“ genannt wurde, galt als Statussymbol, und je dicker die Boxen, desto besser. Aber die wirklichen Musikliebhaber, also die Menschen, die ganz nah dran sein wollen, wenn sie Platten hören, die entdeckten den Kopfhörer für sich. Während es anfangs Kleinstbetriebe waren, die diese Geräte produzierten, kamen einige Firmen mit langjähriger Erfahrung mit der Entwicklung von Kopfhörern im militärischen, fliegerischen und seemännischen Bereich auf den Trichter und baute ebenfalls Kopfhörer.

Over-Ear-Kopfhörer aus den frühen 70ern (Foto: tutti.ch)
Over-Ear-Kopfhörer aus den frühen 70ern (Foto: tutti.ch)
Anfangs gab’s die nur in der Geschmacksrichtung, die heutzutage „Over-Ear“ heißt. Im Prinzip bauten die Macher miniaturisierte Lautsprecherboxen an den Boden von Schalen ein, die das Ohr vollständig umschlossen. Die Schalen waren – wie üblich – an einem Bügel befestigt, und der Kopfhörer wurde per Kabel mit dem Verstärker verbunden. Womit wir bei einem hochaktuellen Thema wären: Noise Reduction. Möglicherweise kam der Wunsch nach Ruhe beim Hören schon beim Morsen auf. Zwar kann man auch ganz ohne elektrische Verstärkung Morsesignale lesen, aber wenn das Kurz-Lang-Kurz-Kurz direkt ins Ohr geht, erhöht das die Empfangsqualität.

Fortsetzung folgt…

[Bildnachweis – Titelbild: Bundearchiv, Bild 101I-695-0410-04A / Foto: Falke, 1944; Seibt Detektorempfänger: technikum29 unter der Lizenz CC BY-NC 4.0; Kristallohrhörer: Gewe71 via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0; Over-Ear/70er: tutti.ch]

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