Als das weltweite Web auch für Otto Normalverbraucher und seine Gattin eröffnet wurde, war auch schon der Messenger da. Also die Sorte Programm, mit dem zwei und mehr Leute miteinander chatten konnten. Denn dieses Miteinanderquatschen per Computer hat eine lange Tradition, die bis zu den Anfängen der Netzwerksysteme zurückreicht. Ja, das zeitnahe Austauschen von schriftlichen Nachrichten war eine der ersten Anwendungen der Network-Technologie überhaupt. Mit dem WWW kamen ICQ & Konsorten, und eigentlich waren alle zufrieden.
Kurz machte Manuel Kaspers Threema eine Raketenkarriere, und die Anwender stiegen zu Dutzenden um, weil der Schweizer die todsichere End-to-End-Verschlüsselung versprach. Aber, wir wissen ja: Nicht das Bessere setzt sich in der Digitalwelt durch, sondern das Meistgenutzte. In Wahrheit luden sich zwar viele die Threema-App herunter und registrierten sich sogar, aber kaum jemand löschte deshalb WhatsApp – man wollte ja schließlich auch mit denen in Kontakt bleiben, die zu bräsig waren, um umzusteigen.
Dabei hätten eigentlich alle, die auch nur einen Hauch von Ahnung über Datensicherheit, Verschlüsselung und, ja, auch Open-Source-Software spontan jubeln müssen, den die Durows waren um 2015 herum bei diesen Themen unter den Messengern ganz vorne dran. Um es klar zu sagen: Threema und Telegram haben in diesen Jahren WhatsApp vor sich her getrieben und per Konkurrenz dafür gesorgt, dass WA inzwischen guten Gewissens genutzt werden kann.
Während Threema nach und nach zum Messenger für Nerds wurde, zog Telegram den Internet-Untergrund an. Eigentlich ohne rationalen Grund entschieden sich Online-Dealer, Hacker und diverse Politverwirrte für Telegram, und die Kanäle der Verschwörungsideologen dort wurden zum Hit für alle Wahnwichtel und Aluhutfalter. Das ist auch der Stand der Dinge. Oder sagen wir so: Wo Nasen wie Attila Hildmann, Xavier Naidoo und ähnlich Durchgeknallte Superstars sind, da sollte man zumindest misstrauisch werden.
Nun kann man sagen „Doch nicht schlimm, wenn ich meinem Gatten mitteile, er möge nach der Arbeit ein Pfund Hack mitbringen.“ Richtig. Aber schon, wenn jemand fragt, ob ein oder mehrere andere wissen, was aus diesem Horst geworden ist, den man gekannt hatte, geht’s tief in die Privatsphäre. Die kriegt man samt End-to-End-Verschlüsselung nur in optionalen „Geheimen Chats“. Heißt: Wer anonym Hack beim Gatten bestellen will, muss einen solchen Geheim-Chat einrichten. Überhaupt: Auch bei Gruppen und Kanälen gibt es diesen Unterschied. Die genannten Verschwörungsideologen nutzen das und legen offene Kanäle, aber geheime Gruppen an. Wer im offenen Bereich was gelesen hat, der wechselt in eine geheime Gruppe und wird zum Unterstützer.
Kurz und gut: Wer Telegram als Messenger im Sinne von WhatsApp nutzen möchte, weil schon so viele Familienangehörige, Freunde und Kollegen da sind, der wird ein schnelles, komfortables System finden, an das er sich schnell gewöhnt. Dann kann man natürlich den ganzen Quatsch in den Gruppen und auf den Kanälen getrost ignorieren, sollte aber bei den angefragten Berechtigungen sehr genau überlegen, welche man erteilt und welche nicht.
[Bildnachweis – Pawel Durow: TecCrunch via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 2.0;]