Ordentliche Kopfhörer an einem kleinen Gerät (eigenes Foto)

Kleine Weltgeschichte der Ohr- und Kopfhörer (2)

[Hier geht’s zum ersten Teil der kleinen Weltgeschichte der Ohr- und Kopfhörer.] Auch wenn bei der Entwicklung der ersten Hifi-Stereo-Kopfhörer im Vordergrund gestanden haben mag, die Musik möglichst nah am Hirn zu präsentieren, so zeigt die Darstellung in Filmen und auf Fotos in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren, dass Kopfhörer schon auch als Mittel der individuellen Abschottung eingesetzt wurden; also zum Ausblenden der bösen akustischen Welt da draußen. Wieder aufgegriffen haben das Thema erst vor wenigen Jahren Hörakustiker. Die Idee war, Kopf- oder auch Ohrhörer nicht dazu zu verwenden, Musik an den Mann bzw. die Frau zu bringen, sondern unerwünschte Geräusche auszusperren, sodass eine beinahe lautlose Entspannung möglich wird.

Akustische Selbstisolierung

Superduper-Gaming-Headset mit Dolby Surround (Foto: Sennheiser)
Superduper-Gaming-Headset mit Dolby Surround (Foto: Sennheiser)
Und kamen dabei auf relativ alte Verfahren der Rauschunterdrückung. Um auch nicht störungsfreien Sprechfunkverkehr überhaupt verstehbar zu machen, hatte man schon vor dem zweiten Weltkrieg damit begonnen, das eingehende Signal durch Filter zu jagen, die störendes Rauschen eliminieren sollten. Später war es dann die Hifi-Szene, die sich des Themas annahm und die Filtertechnik verbessert und verfeinerte. Das heute weltberühmte und 1965 gegründete Unternehmen Dolby Laboratories hat mit analogen Rauschunterdrückungsverfahren für Tonbandmaschinen und (später) Kassettenrekordern seinen Erfolgsweg begonnen.

Heute ist man – Digitalisierung sei Dank! – mehrere Schritte weiter. Übrigens: das englische Wort „noise“ steht nicht nur für „Krach“, sondern in seiner Grundbedeutung eher für den deutschen Begriff „rauschen“. Und das bedeutet, dass wir heute nicht mehr nur von „noise reduction“ sprechen, sondern „noise cancelling“. Soll sagen: Krach wird ausgesperrt. Das ist mit der bewährten Filtertechnik so nicht möglich, sondern bedarf a) einer kontinuierlichen Messung der Umgebungsgeräusche und b) ausgefuchster Algorithmen, die mit passenden Interferenzen Störgeräusche überlagern und so aktiv ausblenden.

On-Ear-Kopfhörer ganz ohne Krachunterdrückung (eigenes Foto)
On-Ear-Kopfhörer ganz ohne Krachunterdrückung (eigenes Foto)
Und wieder ist das zugrundeliegende Prinzip schon uralt, und selbst die Idee geräuschreduzierender Kopfhörer kam schon in den späten Vierzigerjahren auf. Aber erst durch die Fortschritte der Digitaltechnik gelang es, ab 1988 solche Geräte zu bauen. Seitdem und bis vor Kurzem kamen sie überall da zum Einsatz, wo das ungestörte Hören von Funkverkehr lebenswichtig sein kann, zum Beispiel im Luftverkehr. Auf diese Weise aber auch dem Rest von uns eine akustische Vollisolation zu ermöglichen, entsprechende Kopfhörer für Konsumenten anzubieten, darauf kamen die einschlägigen Anbieter aber erst vor rund 10 Jahren.

Die Bügel des Grauens

Von „noise reduction“ oder gar „noise cancelling“ durften die frühen Adapter der tragbaren Musik neuerer Zeitrechnung nicht einmal träumen. Zum legendären Walkman gehörte ein spindeldürren Bügelkopfhörer mit Schaumstoff-On-Ear-Puscheln, die sich irgendwann selbst zerlegten und sich in den Ohren der Hörern ablagerten. Aus Hifi-Sicht stellten die Billigdinger kein Problem dar, weil ja das Gedudel von der Kassette ohnehin nur auf dem Niveau altbackener Kofferradios spielte.

Original-Sony-Walkman mit einem Bügel des Grauens (Foto: Sony)
Original-Sony-Walkman mit einem Bügel des Grauens (Foto: Sony)
Eine unerwartete Rolle bei der Fortentwicklung des Lauscher-Interfaces spielte übrigens die aufkeimende Hiphop-Mucke, in der zunächst der Ghettoblaster, bald aber auch der Walkman eine zentrale Rolle als Statussymbol spielte. Während der tonnenschwere Kasten auf der Schulter dazu diente, die Restwelt wissen zu lassen, wie laut ein einzelner Mensch einen Stadtteil beschallen kann, war der portable Kassettenrekorder unverzichtbares Accessoires der Breakdance und der Rollerskater. Die waren mit dem Gesäusel aus den 08/15-Bügeln nicht zufrieden und schnallte mächtige Hifi-Headphones an die kleinen Geräte.

So richtig in Richtung Musikgenuss unterwegs ging die Post aber erst mit dem ebenfalls legendären Discman ab. Nun gab’s CD-Qualität auf die Ohren, und blieb bei den ollen Bügel-Schaumstoff-Dingern bauartbedingt auf der Strecke. Für die Kopfhörerkünstler der Hifi-Industrie wurde diese Entwicklung zum Segen, weil sich ein ganz neues Geschäftsfeld öffnet; das für leichte Headphones oberster Soundqualität. Für diese Teile konnte man gut und gern mehr Kohle aufrufen als für die Highend-Headphones an der heimischen Anlage.

Endlich abgekabelt!

Kein digitales Wesen liebt Kabel, so viel ist sicher. Immer wenn eine Technologie uns von dem einen oder anderen Kabel befreite, war die Freude bei den Anwendern groß. Auch das fing sehr früh an: mit dem schnurlosen Telefon und dem DECT-Standard. Als Anfang der Nullerjahre Wireless Lan (Wlan) marktreif wurde, aber auch als es dank UMTS möglich wurde, das Laptop ohne Draht mit dem Netz zu verbinden, stürzten sich die Kabelhasser auf die Sache. Da ging die wunderbare Bluetooth-Erfindung beinahe unter. Ja, es soll Digitalauguren gegeben haben, die dem Blauzahn-Ding keine Chance gaben, weil man ja im ganzen Land flächendecken UMTS-Masten und Wlan-Hotspots aufbauen könne.

Klein und oho: meine Ohrknöpfe von Cambridge Audio (eigenes Foto)
Klein und oho: meine Ohrknöpfe von Cambridge Audio (eigenes Foto)
Ehe die Spötter auch nur einmal „Kabel“ sagen konnten, hatte sich Bluetooth (Nokia sei Dank!) bei den Konsumenten auch schon durchgesetzt. Denn natürlich ist es viel einfacher, einen Haufen Gadgets per Bluetooth zu verbinden, als allesamt in ein Wlan zu bringen. Zunächst waren kabellose Tastaturen und Mäuse dran, während sich die Kopfhörerindustrie aus unerfindlichen Gründen zurückhielt. Ja, die bekannten Marken brachten recht früh Bluetooth-Headsets und -phones raus, aber um das Prinzip massenmarkttauglich zu machen, musste erst wieder Apple mit seinen AirPods kommen.

Auch wenn die Dinger immer noch aussehen, wie abgesägte Zahnbürstenköpfe, ähnlich wie beim iPod, beim iPhone und auch beim iPad prägte dieses Produkt vor, wie drahtlose Ohrhörer zu funktionieren haben. Weil sich im Digitalen die Geschichte oft wiederholt, gab es anfangs nur mehr oder meist weniger gelungene Klones der AirPods, die ihre Nische nur fanden, weil der Apple-Kram wieder einmal astronomisch teuer war. Das konnten chinesische Elektronikschmieden deutlich billiger. Es dauerte sage-und-schreibe VIER volle Jahre, bis sich anerkannte Spieler im Hifi-Markt es Themas annahmen und die Zahnbürsten vom Kopf auf die Füße stellten. Inzwischen mischt sogar Microsoft mit

Und weiter…

Sennheiser-Reklame für offene Kopfhörer (Quelle: unbekannt)
Sennheiser-Reklame für offene Kopfhörer (Quelle: unbekannt)
Scheint, die Entwicklung der Gadgets, die einem die Töne ganz an den Schädel holen, sei ausgereizt. Das wäre aber nicht das erste Mal – man denke nur an die Kunstkopf-Stereofonie, die nur mit speziellen Kopfhörern überhaupt genießbar war. Auch damals dachten die Freaks, wow, mehr geht nicht. Oder man betrachte die Entwicklung der diversen Dolby-Technologien. Nein, beim Hören ist vermutlich die direkte Verbindung mit akustischen Synapsen im Hirn der Endpunkt der technischen Entwicklung. Und davon sind wir noch ein paar Zentimeter entfernt.

Außerdem: Potenzial liegt nicht nur bei der weiteren Miniaturisierung von Ohrstöpseln und der Verbesserung der Soundqualität, sondern beispielsweise bei der weiteren Digitalisierung von Tönen schon bei der Aufnahme sowie dem verlustfreien Transport bis in die Ohrmuschel. Bis dahin aber bilden die wahnwitzigen Gamer-Headsets einerseits und die winzigen, rauschunterdrückenden und kabellosen Ohrhörer à la Apple AirPods die Krone der akustischen Evolution.

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