Madden NFL - Vorbild für fast alle Simulationen von Mannschaftssportarten (Screenshot)

Kleine Weltgeschichte der Sportsimulations-Games – von Pong bis zur FIFA-Reihe

Irgendwann im Sommer 1985 brach in der Redaktion der Data Welt eine Seuche aus: Alle, wirklich alle, spielten in jeder freien Minute die „Winter Games“ am C64. Es wurden Meisterschaften ausgetragen und Bestenlisten angefertigt. Und den letzten Platz belegte immer der Chefredakteur. Denn für Computerspiele hatte ich kein Händchen und werde auch nie mehr eins bekommen. Gut, als die Arcade-Automaten mit „Pong“ im Spielsalon der örtlichen Bowling-Halle aufgebaut wurde, habe ich auch so manchen Groschen darin versenkt. Aber über das simpelste aller Sportsimulations-Games bin ich nie hinausgekommen. Also habe ich mich für diesen Beitrag mit einem Experten zusammengesetzt. Mit dem bin ich sogar verwandt; es handelt sich um meinen Sohn.

Da der Papa bei einer Computerzeitschrift arbeitete und immer auch mehrere Rechner zuhause stationiert hatte, lernte Marc (Name von der Redaktion geändert) schon im zarten Alter von fünf Jahren, dass man mit den Kisten auch prima spielen konnte. Seine „Karriere“ als Nutzer von Sport-Games zeichnet die Historie dieses Computerspielgenres ziemlich genau nach.

Die wirklich wahre erste Sportsimulation: Tennis for Two (public domain via Wikimedia)
Die wirklich wahre erste Sportsimulation: Tennis for Two (public domain via Wikimedia)

Am Anfang war „Pong“, denkt man immer. Aber erstens würde man dieses Game aus heutiger Sicht eher zu den Geschicklichkeitsspielen zählen, und zweitens war da ja noch „Tennis for Two„. Das hatte der Physiker William Higinbotham erfunden und (Achtung!) BAUEN lassen. Es handelte sich um eine hochspezialisierte Maschine mit einem Analogcomputer einem Oszilloskop und Steuerelementen, mit denen zwei Menschen virtuelles Tennis gegeneinander spielen konnten. Ob dieses T42 die Inspiration für Pong bildete ist unklar.

Die in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern beliebten Aracde-Maschinen wurden von den Shootern beherrscht, aber tatsächlich kam 1983 ein Automat namens „Track & Field“ in die Spielhallen, auf dem man tatsächlich Leichtathletikdisziplinen simulieren konnte: 100-Meter-Lauf, Weitsprung, Hochsprung, Speerwurf und so weiter. Fand man die richtigen Gegner, machte die Sache schon ziemlich viel Spaß.

Epyx wurde mit den Winter Games groß (Screenshot)
Epyx wurde mit den Winter Games groß (Screenshot)

T&F kann man als die Urmutter aller Simulationen von Einzelsportarten ohne Ball ansehen. Zumindest gab dieses Game den Anstoß für die schon genannten „Winter Games“ und ihre Vorgänger, den „Summer Games“. Deren Durchbruch und den basisbildenden Erfolg für den Hersteller Epyx machten die für damalige Verhältnisse grandiosen Grafikfähigkeiten des Commodore 64 möglich. Ja, da zappelten winzige Sportler über in maximal 16 Farben gemalte Sportanlagen, da war Bewegung drin.

Ubisoft brachte eine nette Tennis-Simulation (Screenshot)
Ubisoft brachte eine nette Tennis-Simulation (Screenshot)

Es lässt sich nicht belegen, ob diese beiden Spiele wirklich wegweisend waren. Zumal es eine zweite Wurzel für das gibt, was wir heute als Sportsimulations-Games kennen: Wirtschafts- und Managementsimulationen. Die gab es nämlich schon ab den Sechzigerjahren für Großrechner und Minicomputer; im Prinzip simple Was-wäre-wenn- oder Was-passiert-wenn-Berechnungen. Sie stellen die Urahnen für alle Sportmanager-Games dar. Marc und ich waren in den Achtzigern ganz vernarrte in einen der ersten Eishockey-Manager, denn mein Sohn spielte selbst aktiv mit Puck und Schläger. Geschicklichkeit war dabei nicht gefragt, denn die Ergebnisse der Partien zwischen den Teams ermittelte das Programm auf Basis der Eigenschaften der gewählten Spieler.

Noch ohne Spieldarstellung: ein erstes Manager-Game (Screenshot)
Noch ohne Spieldarstellung: ein erstes Manager-Game (Screenshot)

ALLE, wirklich alle Sportmanager-Spiele für wirklich ALLE Mannschaftssportarten basieren auf dieser Idee. Okay, damals hatten die Hockey-Cracks im Simulator genau fünf Eigenschaften, heute simulieren Soccer-Games wie die der FIFA-Serie die Leistungswerte real existierender und historischer Spieler bis ins kleinste Detail. Aber immer noch bildet das Aufstellen eines Kaders die Grundlage für die Spiele, bei denen man diese Kicker so steuern kann, als hätte man die echten Stars an der Fernsteuerung.

Tony Hawk's Pro Skater verblüfft mich immer noch (Screenshot)
Tony Hawk’s Pro Skater verblüfft mich immer noch (Screenshot)

Die wichtigste Zwischenstufe bildet vermutlich die Madden-NFL-Serie, die nach dem legendären American-Football-Trainer und Sportkommentatoren John Madden benannt ist. Bereits in der ersten Version namens „John Madden Football“ von 1988 bildete das Game die tatsächlichen Mechanismen der NFL nach und ist heute auf einem Niveau, dass mein Sohn (und ich auch) das Wort „Spiel“ dafür nicht in den Mund nehmen würden.

Die FIFA-Soccer-Serie - viel realistischer geht kaum noch (Packshot)
Die FIFA-Soccer-Serie – viel realistischer geht kaum noch (Packshot)

Als Marc dann das Skateboard für sich entdeckte, kam natürlich auch „Tony Hawk’s Pro Skater“ ins Haus. Da konnte er dann all die Tricks, die er in der Realität nicht hinbekam. Ich aber saß gelegentlich dabei und staunte nicht schlecht, wie realistisch die Sache aussah – wir reden von 1999 und den damals herrschenden Grafikfähigkeiten.

Pool Billard als Spiel - gibt's auch fürs Smartphone (Screenshot)
Pool Billard als Spiel – gibt’s auch fürs Smartphone (Screenshot)

Ich selbst hatte in Sachen Sportsimulatoren nur zwei Rückfälle, wobei die Vorbilder ja wirklich Sportarten sind, die Nachahmung am Computer aber doch wohl eher in den Bereich Mathematik und Geschicklichkeit gehören: Pool Billard und Bowling. Zwei Spiele, bei denen man nur dann einigermaßen gut war, wenn man sie auch in der Realität halbwegs erfolgreich beherrscht.

Auch Bowling am PC wird immer realistischer (Screenshot)
Auch Bowling am PC wird immer realistischer (Screenshot)

Mit den gewaltigen Fortschritten bei den, ähem, Grafikkarten und den rasant wachsenden Rechenleistungen der PCs, wurden die Simulationen immer realistischer, während sich gleichzeitig die TV-Übertragungen vieler Sportarten dem geneigten Zuschauer immer näherkamen. Mir fiel das zum ersten Mal so gegen 2010 auf als ich eher zufällig ein Formel-1-Rennen am Fernseher verfolgte. Es sah aus wie ein Computerspiel…

Eine Box-Simulation mit VR-Brille (privat)
Eine Box-Simulation mit VR-Brille (privat)

Und wenn ich heute gelegentlich die Profizocker auf Twitch verfolge, wie sie FIFA 2022 spielen, bin ich immer wieder verblüfft von der Realitätsnähe. Und das ist noch nicht das Ende. Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit, die Virtual-Reality-Simulation eines Boxkampfes (im wahrsten Sinn des Wortes) am eigenen Leib zu testen. Fragt sich nur, ob und wie die angewandte KI Einfluss auf die Sportsimulations-Games nehmen wird. Bin gespannt, und Marc ist es auch.

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