Cloud-Computing (Illu. via pixabay.com)

Kleine Weltgeschichte des Cloud-Computing – Wo die Daten im virtuellen Raum herumschwirren

Für die meisten Normalanwender:innen dürfte „die Cloud“ nichts anderes als ein irrwitzig großer Datenspeicher da draußen sein, den man per Internet anzapfen kann. An dieser Sichtweise stimmen zwei Dinge nicht so ganz: Erstens gibt es nicht nur eine Cloud, sondern Millionen davon; zweitens leistet das Cloud-Computing sehr viel mehr als nur das Speichern von Daten. Und drittens gab es schon lange vor der Einführung des Internets technologische Anwendungen, die dem ähneln, wie wir heute Clouds nutzen.

Wie so oft begann das Thema „Cloud-Computing“ schon in den Sechzigerjahren, und wie so oft geboren aus den Bedürfnissen verschiedener wissenschaftlicher Bereiche. Die ersten „Clouds“ waren nämlich nichts anderes als die damals üblichen Strukturen aus „Elektronenhirnen“ und Terminals. Auf den Großrechnern ließ man Programme laufen, die an eingegebenen Daten Berechnungen anstellte, die wiederum von berechtigten Terminals abgerufen werden konnten.

Diese grundsätzliche Form der Datenverarbeitung änderte sich bereits mit der Einführung der Minicomputer, die grundsätzlich autark arbeiten konnten, weil sie alle Elemente einer Rechner-Terminal-Struktur in sich vereinten. Wobei Maschinen wie eine DEC PDP-11 mit Großrechnern verbunden werden konnten, die dann als Server fungierten. Hier finden sich in Form des Grid-Computing die ersten Ansätze für das, was wir heute Cloud-Computing nennen können, weil es auch möglich war, Programme und Daten auf angeschlossenen Rechnern zu teilen.

Wer hat’s erfunden? Die GMD hat’s erfunden

Es war wieder einmal die ehemalige Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) im schönen Sankt Augustin, die weiter dachte und 1995 ein System namens BSCW entwickelte, wobei die Abkürzung ziemlich treffend für „Basic Support for Cooperative Work“ stand, denn Ziel der Übung war es, den beteiligten Wissenschaftlern eine Struktur zur Verfügung zu stellen, über die diese zwischen verschiedensten Computern nicht nur Daten austauschen sondern gemeinsam und (beinahe) in Echtzeit zusammenarbeiten konnten.

Denn – wie schon erwähnt – Clouds speichern nicht einfach nur Daten; sie erlauben es, dass (fast) beliebig viele User:innen gleichzeitig mit in der Cloud liegenden Anwendungen an dort gespeicherten Daten arbeiten können. Grundlage bildet die hinlänglich bekannte Client-Server-Struktur. Die Verfügbarkeit des Internets machte es dank BSCW möglich, dass nicht nur Menschen, deren Rechner in einem LAN verbunden waren, kooperieren konnten, sondern Anwender:innen weltweit. Erste Clouds wie die des BSCW waren allerdings proprietäre und abgeschlossene Systeme.

BSCW, eine GMD-Erfindung (Abb. via Wikimedia)
BSCW, eine GMD-Erfindung (Abb. via Wikimedia)

Und so richtig funktionierte das alles mit der ständigen wachsenden Bandbreite der Internet-Verbindungen. Die ersten Treiber der Cloud-Technologie waren übrigens die E-Commerce-Anbieter der ersten Stunde, unter anderem das Versandhaus Amazon. Um die unterschiedliche Belastung ihrer Rechenzentren auszugleichen, baute Amazon Anfang der 2000er-Jahre für damalige Verhältnisse gigantische Rechnerfarmen auf, in denen die Produktbestände und Bestellvorgänge abgewickelt wurden. Weil das Geschäft jeweils zur Weihnachtszeit auf das Zehnfache des normalen Traffics anwuchs, hielt man Kapazitäten vor, die außerhalb des Weihnachtsgeschäfts brachlagen.

Amazon vermietet Überkapazitäten

Also gründete man die Amazon Web Services (AWS) mit dem Ziel, die Überkapazitäten professionellen Nutzern anzubieten. Dazu ließ Amazon ein bis heute grundsätzlich existierendes System für den Benutzerverwaltung, den Datenaustausch und die Datensicherheit entwickeln. Wer einen Account hatte, konnte nun ein Stück AWS nutzen, als sei es eine eigene Cloud.

Amazon und seine Überkapazitäten in den Rechenzentren (Foto via pixabay.com)
Amazon und seine Überkapazitäten in den Rechenzentren (Foto via pixabay.com)

Für den Rest von uns, der bloß auf Speicherplatz aus war, der nicht auf dem lokalen Rechner lag, sondern jederzeit und überall per Internet greifbar war, entstanden die Dienste der Filehoster wie Dropbox. Weil sich die Menge an Rechenzentren und verfügbaren Kapazitäten ab etwa 2004 jedes Jahr um das Zehn- bis Dreißigfache wuchs, wurde es immer billiger Speicherplatz in „der Cloud“ zu mieten. Zudem fußen auch soziale Medien wie Facebook auf dem Prinzip des Cloud-Computing, denn die Postings samt angehängter Bilder und Videos liegen ja in einer Cloud.

Parallel dazu kam ein Prinzip namens „SaaS“ auf. Die Abkürzung steht für Software as a Service und ist selbsterklärend. Anstatt Software auf einem Datenträger oder zum Download anzubieten, stellen Hersteller beziehungsweise Betreiber ihre Anwendungen in „der Cloud“ bereit. Die User:innen haben also das ganze Programm nicht bei sich, sondern nur einen mehr oder weniger kleinen Client, mit dem sie die Funktionen der benötigten Software im Netz nutzen können.

SaaS – Programme nutzen, ohne sie zu haben

Die Weiterentwicklung dieses Prinzips machte ab etwa 2006 bis heute rasante Fortschritte, die Technologie ist auf dem besten Weg, zur Schlüsseltechnologie der Künstlichen Intelligenz zu werden, denn die real existierenden KI-Modelle leben in „der Cloud“ und lernen durch die Inhalte aller Clouds, die den Zugriff von außen erlauben.

Für überregional oder gar global agierende Unternehmen ist Cloud-Computing inzwischen unverzichtbar; das Prinzip ist so grundlegend, dass andere Technologien für verteilte Daten und Programm nicht vorstellbar sind. Wir Normalanwender:innen nutzen, sobald wir im Netz sind, Cloud-Computing ständig, ohne es zu merken. Ob nun AWS, Microsoft Azure, Google Cloud Platform (GCP) dahinterstecken oder eine Cloudflare-Lösung dahintersteckt, dürfte diese Zielgruppe nicht interessieren.

Inzwischen verfügen die genannten (und andere Anbieter) wieder über erhebliche Überkapazitäten, sodass sie massiv das Abonnieren von Cloud-Speicherplatz – vor allem für Fotos – durch Konsument:innen bewerben. Die verfügbaren Pakete reichen inzwischen bis weit in den Terabyte-Bereich – 4 TB Platz für Bilder für 5 Euro im Monat sind aktuell problemlos zu buchen.

Fazit

Aber auch die Nutzung von Anwendungen in „der Cloud“ durch Konsument:innen setzt sich immer mehr durch – sie merken es nur oft nicht. Denn viele, wenn nicht die Mehrheit der Apps für Smartphones und Tablets haben inzwischen kaum noch echte Computerfunktionen, sondern dienen nur noch als Fernsteuerung für Anwendungen in einer der Clouds. Das gilt auch für den guten alten PC, denn wer Microsoft Office im Abo nutzt, greift, ohne es zu wissen, bei der täglichen Arbeit auf Funktionen zu, die bei Bedarf aus der MS-Cloud gezogen werden oder sichert seine Dokumente möglicherweise unbewusst per OneDrive in dieser Cloud.

[Bildnachweis – BSCW: OrbiTeam Software via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0]

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