Rainer'sche Post

Mein Leben als Blogger – Anekdoten aus 13 Jahren Online-Schreiberei

Der Kollege Thomas Jungbluth trägt die Hauptschuld. Denn bei dem stieß ich irgendwann Mitte 2002 auf ein Blog. Das hieß damals noch „Weblog“ – und zwar DAS Weblog. Star in der Manege war die Open-Source-Community Antville mit ihrer eigenen Blog-Hosting-Plattform, und der besagte Kollege betrieb dort ein Blog namens „beidrt.antville“, was man als Rheinländer leicht als Umschreibung von „Bei der Tante“ dechiffrieren kann. Ich war sofort – wie sagt man? – angefixt, denn im Internet, genauer: im weltweiten Web zu publizieren, das war schon seit ich 1995 auf dieses Globalnetz gekommen war, mein Traum. Wochenlang recherchierte ich rund um dieses Thema und kam dann auf eine andere Blog-Plattform – blogger.com; damals noch selbstständig, heute eingemeindet in den Google-Kosmos. Mit wenigen Klicks konnte man dort sein eigenes Weblog einrichten und gleich losschreiben. Faszinierend!

Mein erstes Blog
Mein erstes Blog bzw. das, was davon in der Wayback-Machine noch zu finden ist…
Von Stunde an experimentierte ich mit dem Layout, dem Design, der Rubrifizierung, dem Stil und der Auswahl an Dingen, die ich dort publizierte. Diese erste Blog namens www.djonzo.de fand in seiner ersten Version nie eine genießbare Form. Das kam bei Djonzo 2.0, das ich mit Anbauten wie Umfrage-Plugins, Foren, Shoutboxen und und und bis zum Erbrechen verunstaltete. Und dann stieg ich um auf WordPress.

Mit WordPress wird alles gut
Für WordPress entschied ich mich vor allem, weil ich von keinem Blog-Hoster abhängig sein wollte. Stattdessen abonnierte ich ein passendes Hosting-Paket bei 1&1 – meinem Leib-und-Magen-Provider, dem ich bis heute die Treue gehalten habe. Nun konnte ich in meinem eigenen Bereich dort eine WordPress-Installation aufbauen, die zugehörige MySQL-Datenbank einrichten und das Ganze mit meiner Domain verbinden. Das war im superheißen Sommer 2003, und plötzlich hatte ich mein öffentliches Tagebuch im WWW. Davon gab es im deutschsprachigen Raum nicht so arg viele, sodass sich die fleißigsten Bloggerinnen und Blogger zumindest virtuell kannten. Zumal sich auf dieser Ebene viele Kollegen aus der IT-Branche trafen und sich austauschten bzw. gegenseitig inspirierten. Da waren vor allem zwei Blogs, die ich mochte, auch weil die Betreiber einfach tolle Typen waren:

Wie Jörg Kantel, der „Schockwellenreiter„, der seit April 2000 und bis heute aktiv ist, und Majo Heinze, Kopf und Herz hinter „Industrial Technology & Witchcraft“ (kurz: ITW), ein Freund, der leider im November 2010 gestorben ist. Zu den Hauptbloggern jener Jahre gehört natürlich auch Don Alphonso, die Kunstfigur, die bis heute eine Ding namens „Rebellen ohne Markt“ betreibt. Den kannte ich schon von der Plattform „Dotcomtod„, auf der allerlei Whistleblower die krummen Geschäfte der diversen Ecommerce-Freibeuter publik machten und für den Absturz so manchen E-Superheldens sorgten. In den Kreis der Vorblogger in den Jahren 2002 bis etwa 2005 gehörte auch der damalige Handelsblatt-Redakteur Thomas Knüwer, der dort ein Blog namens „Indiskretion Ehrensache“ publizierte, das er nach seinem Ausscheiden dort auf eigene Faust weiterführte.

Die großen Bloghelden
Es waren wilde Zeiten, denn außer den Bloggern und ihren Lesern fühlten sich fast alle, die was mit Medien machten, von den Blogs bedroht. Die Online-Schreiber zu verunglimpfen, war an der Tagesordnung. Der damals wichtige Werber Jean Remy von Matt bezeichnete uns als „Klowandschmierer“, und selbst Blogger, die mit ihrem vollen Klarnamen für ihre Texte einstanden, wurden als anonyme Dreckschleudern beschimpft. 2006 war das Jahr der großen Streitereien auch unter den Bloggern, aber auch das Jahr der großen Erfolge.

Die Rainer'sche Post in einer frühen Version
Die Rainer’sche Post in einer frühen Version – auch sie änderte sich ziemlich oft…
Johnny Häusler entlarvte in seinem „Spreeblick“ das schmierige Geschäftsmodell mit den Klingeltonabos anhand einer Reportage über Jamba und wurde damit zum Superstar der Szene, die sich selbst nun „Kleinbloggersdorf“ nannte. Blogs wie „Lyssas Lounge“ waren Kult, und die Betreiberin dieser Seite, Katharina Borchert, war die erste, die aus diesem selbstbestimmten Non-profit-Geschäft in die „freie Wirtschaft“ wechselte und am Bau des Portals „DerWesten“ der WAZ-Gruppe verantwortlich mitwirkte.

Blogger-Treffen in den großen Städten entstanden (und starben nach zwei, drei Jahren wieder ab), und Blog-Lesungen waren höchst beliebt. Dort verlassen dann literarisch ambitionierte Online-Autoren und -innen ihre Katzengeschichten, Selbstreflexionen und Geschichtchen. Journalistisches Bloggen war nur gering vertreten – aber ich versuchte es mit meinem damaligen Blog „Rainersacht“, von dem leider wegen einer Datenbanklöschung nichts mehr übrig ist. So löste ich große Empörung mit einem Artikel aus, der den gelenkten Hype rund um „Second Life“ (Na, erinnert sich noch wer?) und die zugehörigen Lügen aufdeckte. Und mit einer scharfen Polemik gegen die Reklame des Mediamarktes handelte ich mir einen Riesenärger ein.

The Düsseldorfer, mein Online-Magazin
The Düsseldorfer, mein Online-Magazin in Gestalt eines Blogs
Damals war der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel gleichzeitig Jurist und Werbefigur für die Elektronikkette. Gemeinsam mit Oliver Pocher und einem anderen C-Promi des Privatfernsehens kamen die in einem Spot vor, der völlig blöd und banal war. Dies drückte ich mit durchaus drastischen Worten aus und – kassierte eine Abmahnung von der Kanzlei Steinhöfel. Denn das war ein weiteres Merkmal des Jahres 2006: Das Anschwellen der Abmahnwelle.

Kurz und gut: Die Auseinandersetzung mit dem Mann, der inzwischen zum Glück weitestgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, zog sich über ein gutes Jahr hin und kostete mich Anwalts- und Gerichtskosten in fünfstelliger Höhe. Dies hauptsächlich ausgelöst dadurch, dass die Sache in Hamburg in der Pressekammer und dem mehr berüchtigten als berühmten Richter Buske verhandelt wurde, der diesen Internettypen immer wieder gern einen überzog. Immerhin kam durch Spenden meiner treuen Leser ein Teil der sinnlosen Ausgabe wieder rein, und mein Blog wurde in Deutschland weltberühmt. Trotzdem ließ ich „Rainersacht“ sterben, um noch mehr in Richtung einer „Zeitung“ zu gehen. Die „Rainer’sche Post“ – in Anlehnung an das in meiner Heimatstadt regierende Lokalblatt – wurde im März 2008 geboren und etablierte sich rasch als alternative Stimme in der Stadt. Täglich kamen zwischen 300 und 3.000 Leser, um zu sehen, was die RPost zu sagen hatte, die Besucher gaben Kommentare ab, und andere Online-Plattformen zitierten gern und oft.

Ende 2012 spürte ich dann so etwas wie einen Burn-Out im Bezug aufs Bloggen und legte eine einjährige Pause ein. Zuvor hatte ich jeden Tag mindestens drei Beiträge gepostet und auch sonst ständig darüber nachgedacht, was ich noch so bloggen könnte. Außerdem war mir die „Rainer’sche Post“ immer noch zu bloggig. Also begann ich damit, ein echte Online-Magazin zu konzipieren, das dann ab September 2014 in ein Crowdfunding-Projekt bei startnext.de mündete und „The Düsseldorfer“ heißen sollte. Das Funding-Ziel wurde knapp verfehlt, aber trotzdem wurde aus der „Rainer’schen Post“ das Online-Magazin „The Düsseldorfer“. Das hat sich inzwischen ganz gut etabliert und wird demnächst einer Frischzellenkur unterzogen. Denn ab dem kommenden Jahr soll endlich auch ein bisschen Umsatz generieren – das wäre dann der endgültige Schritt vom Blog zum Magazin.

Ein Geheimnis sei noch verraten: Neben „The Düsseldorfer“ betreibe ich selbst noch zwei weitere Blogs, die nicht offen mit meiner Person verbunden sind. Außerdem liefere ich Beiträge für insgesamt vier Blogs von Unternehmen und Organisationen. Was 2002 mir Rumexperimentieren begonnen hat, ist inzwischen integrierter Teil meiner Berufstätigkeit.

3 Gedanken zu „Mein Leben als Blogger – Anekdoten aus 13 Jahren Online-Schreiberei“

  1. Bist du sicher, dass es nicht die editorialnotes waren? Bei d’r Tant war nur ein kleines Nebenblog mit frechen Sprüchen, dass ich kurze Zeit später an jemand anderen abgab. Aber egal, ich fühle mich geehrt. *stolzfühlgeräusch* ;-)

    1. Nein, da bin ich nicht sicher; aber ich fand aus dramaturgischen Gründen „Bei d’r Tant“ hübscher ;–))

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