dBASE lebt!

Software-Saurier der Steinzeit (3): Datenbanken

Das absolute Bäh-Wort in den fröhlichen Zeiten der Homecomputer hieß: Datenverarbeitung. Wer wollte schon Daten verarbeiten? Die Kids am 64er, die hatten Peeks und Pokes, Sprites und Kommaachtkommaseins, die hatten mit Daten nichts am Hut. Die wollten daddeln und fummeln, was Eigenes erfinden. Kreativ sein. Die waren neugierig und kreativ. Die wollten nicht arbeiten, schon gar nicht mit Daten. Deshalb waren Datenbankprogramme so ziemlich das Uninteressanteste auf der Welt für die Jungs an den Commodores, Ataris, Tandys und wie sie alle hießen, die kleinen Computer. Dass dann eine merkwürdige Company namens Ashton-Tate im Jahr 1982 so etwas wie dBase II für CP/M auf den Markt brachte, riss folgerichtig niemanden vom Hocker. Und heute? Heute ist alles irgendwie Datenbank. Zwar wird der Begriff „Datenverarbeitung“ immer noch gern vermieden, weil er sich so beamtisch anhört, aber das Lagern von Daten zum Zwecke der Wiederauffindung bildet quasi die Basis für alles, was wir mit und rund um dieses Internet tun.

dBase II - das Ding, mit dem es anfing
dBase II – das Ding, mit dem es anfing; ein erstes Datenbankprogramm für kleine Computer
Tatsächlich hatte in jenen goldigen Jahren praktisch nur Informatiker eine saubere Vorstellung davon, was man als „Daten“ im Sinne der Verwaltung und Verarbeitung zu verstehen hatte. Während die Maschinensprache-Rastellis mit Nullen und Einsen um sich warfen und das für Irgendwas-mit-Daten hielten, wussten die Studierten, dass es eher um Datensätze ging – zum Beispiel um Adressdaten. Dass also Name, Vorname, Straße, Hausnummer, Ort, Land, Telefonnummer etc. zusammengenommen den Datensatz einer Person bilden. Wenn nun – wie in der großen Verdatung von Karteikarten in den Behörden der Republik zwischen 1972 und 1978 geschehen – in allen möglichen Behörden die Informationen über Bürger in Form von Datensätzen – wie man sagte – maschinenlesbar erfasst wurden, dann ging es zunächst nur darum, in großen „Karteien“ die gewünschte „Karte“ rasch zu finden. Und natürlich auch schon um statistische Auswertungen.

In den genannten Jahren jobbte ich als Student regelmäßig in einer NRW-Behörde, die genau in diesem Prozess steckte. Unsere Aufgabe als Aushilfen bestand darin, Informationen, es ging um Lehrer und ihre Bezüge, von Karteikarten auf Bögen zu übertragen, die dann wiederum von Datentypistinnen auf Lochkarten übertragen wurden – „Ablochen“ nannte man diese Tätigkeit. Da ich mir so jede Menge Datenverarbeitungs-Knowhow angeschafft hatte (ähem…), bekam ich 1979 einen Job bei einem Immobilieninvestor, der die Adressdaten seiner Interessenten unbedingt in einem Commodore PET erfassen wollte. Ohne Datenbankprogramm, übrigens… Okay, das Projekt scheiterte, aber ich wusste nun, was man auf einem Kleincomputer brauchen würde, um Daten zu erfassen, zu speichern und zu verarbeiten. Und landete bei einer PR-Agentur mit einem Apple II. Als wir dann auch noch dBase bekamen und uns ein pfiffiger Informatikstudent eine Datenbank bastelte, war ich der Held, der die Adressen der Journalisten eingab und so einen elektronischen Presseverteiler erschuf.

Foxpro war nach der Premiere 1984 sehr populär
Foxpro war nach der Premiere 1984 sehr populär, weil es bedienungsfreundlicher war als dBase
So hatte ich eine quasi natürliche Affinität zu Datenbankprogrammen und war begeistert, als ich FoxPro für meinen Commodore PC bekam. Ich baute Datenbank um Datenbank, um alles datentechnisch zu erfassen, was mich umgab: Schallplatten, Bücher, Familienmitglieder, Videos, Geburtstag, Freunde und Feinde, Ideen, Notizen, Fotos und und und. Wenn ich den Kollegen bei der Data Welt, die im Rausch der Amiga- oder ST-Faszination über den Dingen schwebten, von diesen Datenbanken vorschwärmte, schauten die mich bloß komisch an – mit einer Mischung aus Mitleid und Ekel. Aber ich blieb dran und erlebte mein nächstes Aha-Ding: Die Software hieß „F&A“, was für „Fragen & Antworten“ stand und konnte natürliche Sprache. NATÜRLICHE SPRACHE!

F&A, das Datenbankprogramm mit natürlicher Sprache
F&A, das Datenbankprogramm mit natürlicher Sprache, dem man ernsthafte Fragen stellen konnte
Das Original hieß „Q&A“ (= „Questions & Answers“) und kam den Anwendern jener Zeit zauberhaft vor. Tippte jemand „Wie viele Personen wohnen in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern?“, warf das Programm die entsprechenden Datensätze einer Personenkartei aus. Dieses schwere und sündhaft teure Softwarepaket schaffte ich an in der Hoffnung, damit viel, viel Geld zu verdienen. Tatsächlich waren verschiedene andere Leute auf dieselbe Idee gekommen, und die konnten das besser als ich. Weil zu Q&A eine Art Skriptsprache gehörte, ließen sich damit richtige Anwendungen schreiben, wenn, ja, wenn man programmieren konnte.

MS Access 95, das Beste aus allen Konkurrenzprodukten
MS Access 95, das Beste aus allen Konkurrenzprodukten – und dann auch noch mit grafischer Oberfläche
Da kam dann aber auch schon Microsoft mit dem genialen Produkt namens „Access“ um die Ecke, einer Windows-Anwendung, die prima und nahtlos mit Word und Excel zusammenwirkte und – bis auf „natürliche Sprache“ – das Beste aller bis dahin erfolgreichen Datenbankprogramme zusammenfasste. Innerhalb weniger Monate warfen sich IT-Dienstleister aller Couleur auf Access, drehten es auf links und stellten fest, dass sie da einen echten Diamanten gefunden hatten, den man nur noch im Sinne der Kundenwünsche zu schleifen brauchte.

Natürlich überlebten einige der anderen Softwarestücke; dBase gibt es z.B. aktuell mit der Laufnummer 8. Aber auf dem Desktop von Windows-Rechnern bzw. in den Windows-Netzwerken von kleinen und mittleren Firmen herrschte Access. Zumindest solange bis Oracle auf den Plan trat und SQL zum Standard bei den Datenbankabfragesprachen wurde und den Datenbank-Kontinent im Internet eroberte. Heute sind lokale Datenbankanwendungen meist Nachfahren ziemlich alter Entwürfe, während in den großen Netzen der großen Konzerne entweder Oracle den Ton angibt oder die Datenbankbestandteile einschlägiger Enterprise-Lösungen. Das alles ist mehr oder weniger Convenience, und nach Datenbanken kräht mal wieder kein Hahn.

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