Microsoft Edge: Alles Chrom oder was? (Foto: exclusivemotoring.com)

Meinung: Microsoft Edge Chromium – besser als sein Ruf

Welcher Internet-Kenner erinnert sich nicht an die drei legendären „browser wars„? Nachdem Bill Gates das Web zuerst total unterschätzte und meinte, er könne eine eigenes Microsoft-Netz etablieren, hat er am ersten dieser Kriege nicht teilgenommen. Zur Einsicht gekommen versuchte er den eigenen Internet Explorer mit allen Mittel zum Standardbrowser zu machen. Mit Mozilla Firefox kam 2002 Konkurrenz, die den zwangsweise per Windows installierten Explorer bald überholte. Und als Google 2008 Chrome präsentierte, hatten die letzten Erfolgsstunden des Microsoft-Browsers geschlagen. Und dann kam mit Windows 10 ein Ding namens Edge

Microsoft Edge Chromium: Hübsches neues Logo (Screenshot)
Microsoft Edge Chromium: Hübsches neues Logo (Screenshot)

Die eingefleischten Firefox-Fans reagierten mit einem amüsierten Achselzucken, Apple-Fans blieben natürlich bei Safari, und das Gros der Google-Chrome-User nahmen den Neuling zunächst gar nicht wahr. Das hat viel damit zu tun, dass der Internet Explorer in den Zehnerjahren dank des typischen Microsoft-Eigensinns seinen Ruf ruiniert hatte. Web-Designer und HTML-Entwickler hassten das Teil ohnehin, weil es einfach nicht dem Standard entsprach und die Developer zu allerlei Workarounds und Tricks zwangen, und trotzdem manche Seite im Explorer einfach nicht richtig angezeigt wurde.

Die Mozilla-Leute vergaloppierten sich beim Firefox auf ganz ähnliche Weise und machten den Lieblings-Browser für den Rest von uns zu einem plumpen, überladenen und teilweise stinklangsamen Ärgernis. Das alles konnte Google mit Chrome besser, der so rasch zum Liebling der Massen aufstieg – gebremst nur vom allfälligen und verständlichen Misstrauen gegen die Datenkrake aus Mountain View, CA.

Edge-Startbildschirm mit Bing als Suchmaschine (Screenshot)
Edge-Startbildschirm mit Bing als Suchmaschine (Screenshot)

Aus Erfahrung klug stürzten sich die User weltweit nicht gerade auf den mit viel Pomp vorgestellten Browser Microsoft Edge. Zumal der mit einer eigenen HTML-Rendering-Maschine ausgestattet war und so wieder auf den Widerstand der Web-Developer traf. Über rund fünf Prozent Anteil an den weltweit genutzten Browsern kam Edge deshalb zwischen 2015 und Ende 2019 nicht hinaus. Wir Digisaurier aber dachten: Gib der Kante eine Chance und nutzten den per Win 10 zwangsinstallierten Browser tapfer, wenn auch nur gelegentlich. Und wurden mit unseren Bedenken nicht enttäuscht. Auch wenn sich Edge nicht so eigensinnig verhielt wie seine Explorer-Vorfahren, gab es immer wieder kleine Probleme, wenn auch keine echten Abstürze. Schnell war das Ding, hübsch sah er aus, und von den Funktionen her konnte er locker mit Firefox, Chrome und Safari mithalten.

Browser-Marktanteile weltweit (Quelle: Netmarketshare.com)
Browser-Marktanteile weltweit (Quelle: Netmarketshare.com)

Aber Microsoft wäre nicht Microsoft, wenn es im Sandkastenkrieg der Browser nicht doch irgendwie gewinnen wollte. Und so fällte man in der Browser-Division irgendwann im Jahr 2018 eine revolutionäre Entscheidung: Die kommende neue Version von Edge sollte nicht mehr auf der eigenen Engine basieren, sondern auf dem Open-Source-System Chromium. Wohlgemerkt: Dieses Chromium besteht zu entscheidenden Teilen aus dem Quelltext des Google-Browser Chrome, der die Rendering-Maschine Blink enthält. Dieses Blink, von Entwicklern wegen seines Umgangs mit HTML5 und seiner guten Geschwindigkeit geliebt, ist übrigens eine Koproduktion der Opera-Entwickler und eines Google-Teams.

Womit wir einen immer schon wunderbaren, wenn auch nie sehr populären Browser erwähnen müssen. Opera wurde fernab von den Kriegen der Großen ursprünglich in Norwegen entwickelt. Viele Funktionen und weite Bereiche des gängigen User-Interfaces aktueller Browser fand man zuerst in Opera. Außerdem setzten die Entwickler von Anfang auf maximale Datensicherheit und minimales Tracing der Anwender. Über einige Jahre gewann dieser Browser zudem alle Drag-Races zwischen den verschiedenen Web-Betrachtern.

Interessant für Entwickler: die Chromium-Projekte (Screenshot)
Interessant für Entwickler: die Chromium-Projekte (Screenshot)

Wir wissen ja: In der Computerei gewinnt nie das technisch Bessere, sondern das, was am schnellsten zum Standard wird. Googles Schachzug, den Chrome-Quelltext in ein Open-Source-Projekt einzubringen, tat genau das und machte Chromium zur Standardmaschine für Browser; fehlt nur noch, dass auch Mozilla und Apple sich für Chromium entscheiden…

Seit dem vollständigen Umstieg von Microsoft auf Chromium nutzt der Verfasser dieses Artikels Edge als Standardbrowser. Ganz klar. Es ist der beste Browser, den Microsoft seinen Windows-Usern je verordnet hat. Um aber auch ehrlich zu sein: Die Unterschiede in der tagtäglichen Anwendung im Vergleich zu Google Chrome sind minimal. Das User-Interface ist einen Hauch eleganter, die Einstellungen finden sich teilweise an ungewohnter Stelle. Anders funktioniert vor allem der Umgang mit Downloads und mit PDF-Dokumenten, die grundsätzlich im Browser angezeigt werden. Und natürlich ist MS Bing als Standardsuchmaschine voreingestellt. In punkto Speed unterscheiden sich die beiden Kontrahenten kaum. Wir können die Nutzung von Microsoft Edge Chromium uneingeschränkt empfehlen.

Browser-Marktanteile in Deutschland (Quelle: Statista.de)
Browser-Marktanteile in Deutschland (Quelle: Statista.de)

Das sehen anscheinend viele Anwender auch so, denn der Anteil am Browser-Markt ist für Edge seit der Umstellung auf über 10 Prozent gestiegen, somit liegt er auf Platz 2 hinter Chrome. In Deutschland ist das laut Statista noch lange nicht der Fall, hier ist Firefox Zweiter und Safari Dritter. Das gilt natürlich alles nur für die Desktop-Browser, im mobilen Bereich liegen die Dinge völlig anders. Das liegt im Wesentlichen daran, dass iPhone- und iPad-User praktisch ohne Ausnahme auf Safari setzen und Chrome durch seine Integration ins Android-System weit über 90 Prozent der Mobil-Browser in seiner Welt stellt. Dort haben weder Firefox, noch Edge eine echte Chance; selbst der Außenseiter Opera ist auf Android-Smartphones stärker verbreitet.

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