Stillstand: Warum kommt Smarthome nicht in die Puschen?

Als Bill Gates seiner Melinda 1998 ein Haus namens Xanadu 2.0 in Medina, gleich gegenüber von Seattle am Lake Washington baute, hieß es, dies sei das erste vollvernetzte Haus der Welt. Anfangs war der gute Bill so stolz darauf, dass er seinem Buch „The Road Ahead“ eine CD-ROM mit einem virtuellen Rundgang durch das Anwesen beilegte. Da zeigte er persönlich die diversen eingebauten Hard- und Softwarekomponenten und erklärte ihre Wirkungsweise. Uns digitalen Pionieren war klar: Das ist die Zukunft des Wohnens! Das Thema Smarthome war geboren.

Mit dem Würfel namens „Mood Cube“ konnte man das Licht steuern. (C) YouTube / Digisaurier

Mittlerweile redet Gates nicht mehr von seiner Heimvernetzung und weigert sich auch, Fragen dazu zu beantworten. Es steht zu vermuten, dass die Digitaltechnik in der Bude nicht mehr auf Stand ist, einige Sachen nicht mehr funktionieren und noch mehr Funktionen schon lange nicht mehr genutzt werden. Und dann war da noch das legendäre T-Com-Haus in Berlin, das 2005 für anderthalb Jahre unter realen Bedingungen zeigte, wie smart ein Home damals sein konnte. Oder die CeBIT 2017: Eine ganze (wenn auch kleine) Halle voller Smarthome-Beispiele. Seitdem aber herrscht Ernüchterung.

Ein Smarthome-Influencer erklärt auf YouTube sein vernetztes Haus (Screenshot)
Ein Smarthome-Influencer erklärt auf YouTube sein vernetztes Haus (Screenshot)

Ja, es gibt Nerds, die alles im Haus miteinander vernetzen, was sich vernetzen lässt. Und es gibt tatsächlich Smarthome-Influencer, die YouTube mit immer neuen Videos über die aktuellsten Gadgets fluten. Bei Licht betrachtet aber ist das Thema Smarthome auch Ende 2020 immer noch nicht in die Puschen gekommen. Am auffälligsten ist tatsächlich dieser gigantische Gap zwischen den Pionieren, bei denen ALLES übers Wlan und passende Apps gesteuert wird, und den zögerlichen Pragmatikern mit den Steckdosen, die sie per Smartphone an- und ausschalten.

Insgesamt erinnert der Zustand dem der Homecomputerei Mitte der Achtzigerjahre – hier die Computerfreaks und da die Leute, die sich fragten, muss das alles sein? Muss jeder Mensch wirklich einen Computer haben? Damals wie heute ist die größte Fortschrittsbremse die fehlende Standardisierung. Konkret bedeutet das, dass jeder willige Konsument, der sein Heim intelligent steuern will, sich letztlich für eine Welt entscheiden muss. Apple Home konkurriert mit Google Nest, Philips Hue sitzt zwischen den Stühlen, und Dutzende anderer Hersteller unterschiedlicher Größe bieten Insellösungen.

Philips Hue ist schon ganz schön weit in Sachen Smarthome (Screenshot)
Philips Hue ist schon ganz schön weit in Sachen Smarthome (Screenshot)

Schlimmer noch: Im urbanen Bauboom der vergangenen fünf, sechs Jahre spielt das Thema Smarthome keine Rolle. Kaum ein Bauherr ist auf die Idee gekommen, schon beim Errichten der Gebäude die technischen Grundlagen für die digitale Vernetzung inklusive Security-Ausrüstung und die Ansteuerung von Raumlicht, Heizung, Rollläden oder gar Sound zu integrieren. Nicht einmal per Wlan ansteuerbare Steckdosen und Lichtschalter findet man in den angeblich modernen Mehrfamilienhäusern. Digitales scheint der Immobilienbranche noch Neuland zu sein.

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