Algorithmen gehen auch ganz ohne Computer mit Kreide und Tafel

Was zur Hölle… ist eigentlich ein Algorithmus?

Angesichts der medialen Aufmerksamkeit könnte man flapsig sagen, Algorithmen sind in aller Munde. Richtiger aber wäre zu vermelden, dass Algorithmen in allen menschlichen Hirnen und, ja, auch in den Köpfen (fast) aller Tiere stecken. Denn ganz grundsätzlich betrachtet handelt es sich bei diesen einigermaßen gehypten Dingern „eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems“ – so beschreibt die Wikipedia den Begriff. Denn die Handlungsvorschriften können eben nicht nur in Computerprogrammen formuliert sein, sondern in menschlicher Sprache. Das beginnt schon an der Verkehrsampel. Das Problem: Jemand möchte eine stark befahrene Straße unbeschadet überqueren. Der passende Algorithmus könnte so lauten:

Vor dem Algorithmus kommt das schriftliche Rechnen

Algorithmus-Erfinder al-Chwarzimi auf einer Briefmarke
Algorithmus-Erfinder al-Chwarzimi auf einer Briefmarke
1. Such nach einem Fußgängerüberweg. 2. Gibt es eine Ampel? Falls ja, 3a. überprüfe, ob sie Grün zeigt. 4a. Falls ja, überquere die Straße. Und so weiter… Beinahe alle Regeln des zwischenmenschlichen Verhaltens und des Verhaltens in definierten Systemen lassen sich als Algorithmen fassen. Dabei stammt der Begriff ursprünglich aus der Mathematik, die bekanntlich persischen und arabischen Ursprungs ist. Zugeschrieben wird die „Erfindung“ dem Astronomen und Mathematiker Muhammad al-Chwarizmi, der im 9. Jahrhundert ein Lehrbuch über das indische Zahlen- und Rechenwesen schrieb. Das Wort „Algorithmus“ leitet sich aus einer starken Verballhornung seines Namens ab. Erfunden hat der gute Mann aber nicht das Formulieren von Handlungsweisen an sich, sondern fast alle noch heute geläufigen Methoden des schriftlichen Rechnens – beispielsweise des Multiplizierens durch Malnehmen der einzelnen Ziffern je nach der Dezimalstelle.

In der Schule lernen wir – ohne dass uns das bewusst wäre – im Matheunterricht nicht nur das schriftliche Rechnen, sondern eine ganze Menge an Algorithmen. Einer davon läuft unter dem Namen „Sieb des Eratosthenes„, einer Methode zum Ermitteln von Primzahlen. Aber auch der gute, alte Dreisatz ist nichts anderes als ein Algorithmus. Mittlerweile verstehen wir alle unter einem Algorithmus aber die abstrakte Form einer Handlungsanweisung zur Verarbeitung durch einen Computer.

Die Pionier*innen: Ada Lovelace und Edsger Dijkstra

Nachbau der Analytic Engine des Charles Babbage (Foto via Wikimedia)
Nachbau der Analytic Engine des Charles Babbage (Foto via Wikimedia)
Wie so etwas zu formulieren ist, hat natürlich die Urmutter aller Programmierer, Ada Lovelace, 1858 erfunden. Sie beschrieb in ihren Notizen zur Babbage-Maschinen einen Algorithmus zum Ermitteln von Bernoulli-Zahlen, der noch heute auf modernen Rechnern in einer der modernen Programmiersprachen funktioniert. Versieht man den Begriff mit den Attributen „eindeutig“ und „endlich“ steht er beinahe synonym für das Wort „Computerprogramm“. In jedem Programm steckt mindestens ein Algorithmus, der den Lösungsweg für das zu knackende Problem beschreibt.

Schematische Darstellung des Dijkstra-Algorithmus
Schematische Darstellung des Dijkstra-Algorithmus
Ein Algorithmus, mit dem fast jeder von uns oft konfrontiert ist, stammt vom niederländischen Informatiker Edsger Dijkstra und formuliert, wie in einem System aus Graphen die kürzeste Verbindung zwischen zwei Knoten aussieht. Geschrieben hat er diesen Algorithmus, der immer noch in Navis Verwendung findet, schon 1959 – und zwar als mathematische Problemlösung; die Umsetzung in ein Computerprogramm erfolgte erst viele Jahre später.

Algorithmen in der Künstlichen Intelligenz

Nachdem der Begriff „Künstliche Intelligenz“ lange Zeit als Hirngespinst, dann als Hoffnungsträger galt, ist die KI heute alltägliche Praxis. Wobei in der medialen Darstellung mittlerweile kaum noch zwischen vergleichsweise simplen Algorithmen wie sie jeder Informatikstudent schreiben könnte und hochkomplexen selbstlernenden Systemen unterschieden wird. Immerhin ordnet man Algorithmen, die menschliche Entscheidungsmethoden nachahmen, inzwischen der sogenannten „schwachen KI“ zu. Beispiele finden sich schon seit gut 45 Jahren in Computerspielen – die Psychiatersimulation „Elsa“ war ein frühes und relativ eindrucksvolles Beispiel. Wobei man bis weit in die Neunzigerjahre vor allem bemüht war, Programme zu schreiben, die den Turing-Test bestehen.

Googles selbstlernendes Programm AlphaGo schlägt alle!
Googles selbstlernendes Programm AlphaGo schlägt alle!
Heute steht die Eigenschaft „selbstlernend“ im Vordergrund. Prägnantestes Beispiel dürfte Googles fachidiotisches Programm AlphaGo sein, das nichts kann außer Go zu spielen. Und das inzwischen besser als die amtierenden Weltmeister. Dabei hat man dem Programm anfangs nur die Regeln des Spiels mit auf den Weg gegeben und es dann zigmillionenmal gegen Menschen und andere Go-Programme spielen lassen. Dabei lernte AlphaGo anhand von Erfolgen und Misserfolgen immer besser zu spielen. Der eigentlich wichtige Algorithmus bzw. in diesem Fall das System aus Algorithmen von entscheidender Bedeutung ist der Part, der das maschinelle Lernen bewirkt. Ähnlich wie Krähen, Affen und andere Tiere aus Versuch und Irrtum Problemlösungen erlernen, hat AlphaGo das Spiel gelernt und seine Fähigkeiten bis zur Meisterschaft entwickelt.

Daraus lernen wir: Algorithmen für das maschinelle Lernen können alles und werden immer besser in dem, was sie tun. Weil die Menschen das irgendwie und leicht irrational mit Robotern und unkontrollierbaren Systemen verbinden, macht es ihnen Angst. Und das nicht ganz zu Unrecht. Während beispielsweise der PageRank-Algorithmus, mit dem Google die Position einer Fundstelle ermittelt, (zumindest teilweise) öffentlich zugänglich und nachvollziehbar ist, hält die Schufa den Algorithmus, mit dem sie die Bonität von Konsumenten ermittelt, geheim. Mit der gemeinnützigen GmbH AlgorithmWatch gibt es mittlerweile eine Organisation, die angetreten ist, intransparente Algorithmen, die uns Bürger betreffen, öffentlich zu machen. Das wird zunehmend und besonders wichtig rund um diverse Überwachungssysteme – vom Body-Scanner am Flughafen über die Überwachungskameras im öffentlichen Raum bis hin zu den Algorithmen, mit denen Facebook & Konsorten detaillierte Personenprofile basteln.

[Bildnachweis: Titelbild – via datascienceblog.pw; al-Chwarizmi via Wikimedia; Babbage-Maschine – Bruno Barral (ByB) via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 2.5; Dijkstra-Algorithmus – via Smith College, Northampton, MA; AlphaGo – via Business Insider]

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