Die Mastodon-Startseite (Screenshot)

Was zur Hölle… Ist Mastodon ein brauchbarer Twitter-Ersatz?

Die Twitter-Musk-Farce war wie ein Verkehrsunfall: Man weiß, man sollte weiterfahren, aber man kann den Blick doch nicht abwenden. Als Elon Musk begann, Twitter aufzukaufen, war die Angst der Twitter-Maniacs groß, dass der Tesla-Mann den Kurznachrichtendienst nach seinem Belieben verändern würde. Das Hickhack um den Verkauf belustigte dann zumindest diejenigen, die eher auf Davids als auf Goliaths Seite stehen. Und dann MUSSTE Musk Twitter übernehmen – und lief Amok. Okay, jedem Master of the Universe unterlaufen Fehler, aber dass, was der gute Elon nun seit ein paar Wochen bei Twitter anrichtet, grenzt ans Absurde.

Die Folge: Einige Millionen User:innen dieses – besonders von digitalnaiven Medienvertretern heillos überschätzten – Sozialmediums meldeten sich ab und löschten ihre Accounts. Massenhaft Werbekunden wollten auf einem Musk-Twitter kein Reklamegeld mehr verschwenden. Den blauen Haken wollte auch niemand kaufen. Und jetzt sind viele verzweifelt auf der Suche nach alternativen Kanälen, auf denen sie das Ohr an den Trends haben und selbst Trends schaffe können. Voilá! Es gibt doch Mastodon.

Mastodon - so sieht's aus, wenn man keinen Account hat (Screenshot)
Mastodon – so sieht’s aus (Screenshot)

Man kann auch sagen: Wenn man erstmal drin ist wie seinerzeit Boris in AOL, dann fühlt sich der Urzeitelefant an wie ein Twitter-Klone. Stand 5. November 2022 sind knapp sechs Millionen User unterwegs auf diesem Mikroblogging-Portal, Tendenz stark steigend. Besonders im deutschsprachigen Raum, übrigens. Das liegt vermutlich daran, dass Mastodon 2016 von einem gewissen Eugen Rochko in Jena gegründet wurde und in den ersten drei Jahren seiner Existenz praktisch nur in deutschen Hackerkreisen bekannt war.

Und so sieht's für registrierte User:innen aus (Screenshot)
Und so sieht’s für registrierte User:innen aus (Screenshot)

Das hat sich ab April 2022 schlagartig geändert. Allein die Ankündigung, Musk wolle Twitter übernehmen, sorgte dafür, dass sich die Zahl der Mastodon-Accounts fast verdoppelte. Weltweit wechselten vor allem Expert:innen und mit Twitter sozialisierte Meinungsmacher auf dieses System, das im Übrigen – immer noch von Jena aus – von einer gemeinnützigen GmbH betrieben wird. Das Besondere a Mastodon ist, dass es keinen zentralen Server gibt, sondern jede:r Mitmachwillige dem Urvieh einen Platz auf seinem Webserver einräumen kann. Wer Mastodon nutzen will, muss sich entscheiden, welchen dieser Server er:sie nutzen, also dort quasi Abonnent:in werden will. Hat ein Mastodon-Neuling entschieden, ist er:sie drin. Den gewählten Server kann man jederzeit wechseln, die Zahl der Organisationen, die mitmachen, wächst momentan so rasant, dass man kaum noch mitkommt.

Mastodon kommt aus Jena

Gerade in Deutschland machen bekannte Social-Media-Protagonist:innen unermüdlich Reklame für den Dienst, den keine einzelne Firma, kein einzelner Unternehmer kontrollieren kann, denn alles ist schön verteilt. Einer der ersten, der a) empfahl, den eigenen Twitter-Account zu löschen, und b) auf Mastodon umzusteigen, war Jan Böhmermann, der Vorturner der TV-Show ZDF Magazin Royal, der selbst höchst digitalaffin ist und im Hintergrund ein Team ausgewiesener Social-Media-Expert:innen zur Verfügung hat. Natürlich sind auch altgediente Digitalstimmen wie die von Sascha Lobo oder Mario Sixtus schon auf Mastodon zu finden. Allein die Zahl der Accounts relevanter Organisationen und Personen as Politik, Wirtschaft und Kultur lässt zu wünschen übrig.

Mastodon: Der erste Schritt - Wahl des Servers (Screenshot)
Mastodon: Der erste Schritt – Wahl des Servers (Screenshot)

Auch der Autor dieses Beitrags ist dem Ruf der kritischen Meinungsmacher:innen gefolgt, hat seinen Twitter-Account gelöscht und ist seit dem 10. November auf Mastodon unterwegs. Was beim Vorbild ein Tweet, ist bei Mastodon ein Tröt; jeder Tröt kann geliked, geteilt und kommentiert werden, Hashtags funktionieren wie bei Twitter, und die Trends werden ermittelt und angezeigt. Alles wie gewohnt…

Fazit

Seien wir ehrlich: Es hat im Social-Media-Kosmos schon öfters Versuche gegeben, die Macht der Monopole zu brechen und Alternativen an den Start zu bringen. Speziell bei Facebook sind diese Versuche samt und sonders kläglich gescheitert. Selbst Instagram, das ja nun wirklich nicht schwer nachzumachen wäre, fand keinen Gegner, der ihm gewachsen war. TikTok war – wie auch das fast vergessene Snapchat – nie als Konkurrenz zu einem anderen Sozialmedium gedacht. Und nur die Chat-App Signal hat dem übermächtigen WhatsApp kräftig Leute abgezogen. Die Chancen für Mastodon, Twitter ernsthaft anzugreifen und dabei erfolgreich zu sein, sind also nicht groß.

Trotzdem ist es gut, dass es diese Alternative gibt, denn es kann gut sein, dass Elon Musk Twitter ganz allein killt – ohne Einfluss von Konkurrenten. Und dann hätte man mit Mastodon einen Ausweg aus der Lücke.

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