Last Updated on 10.08.2023 by Redaktion Digisaurier
Viele von uns Digisauriern sind noch mit dem klassischen Versandhandel sozialisiert. Da gab es zuhause den Otto- und den Neckermann-Katalog, man bestellte per Postkarte. Und 2001, der wahnwitzige Bücher- und Tonträgerversand mit dem Merkheft hätte das Zeug gehabt, auch im Internet groß zu werden. Allein, man hat dort die Digitalisierung fast völlig verpennt. Den Platz in den genannten Segmenten nahm ab etwa 2002 dann nahtlos Amazon ein. Und wir alle sind irgendwann auf diesen Zug aufgesprungen. Wie ein bisschen später oder gleichzeitig auf die Versteigerungsplattform eBay. Daran haben sich Konsumenten über 20 Jahre gewöhnt und ihr eCommerce-Verhalten dann auch auf Zalando und diverse Spezialversender übertragen.
Nun also Temu. Dieser chinesische Service hat sich ab September 2022 mit massiver und aggressiver Werbung in den sozialen Medien in die Märkte gedrängelt und spricht uns mit dem absurden Slogan „Shoppen wie ein Milliardär“ an. Den muss man erst einmal verstehen. Gemeint ist, dass die Preise auf Temu so niedrig sind, dass man wie ein märchenhaft reicher Mensch einfach kaufen kann, ohne aufs Geld achten zu müssen. Die Ware wird zu 99 Prozent in China gefertigt und auch von China aus versandt.
Was ist Temu?
Im Gegensatz zu Amazon und ganz ähnlich wie eBay handelt es sich bei Temu um eine reine Vermarktungsplattform; gekauft wird beim Hersteller selbst. Eigene Lager oder eine eigene Versandabteilung wie Amazon hat Temu also nicht. Die Käufe werden von der Plattform lediglich an den jeweiligen Anbieter weitergegeben, für den Temu auch die Zahlung abwickelt. Welche Unternehmen hinter den angebotenen Produkten stehen, wird nicht transparent gemacht. Es gibt besonders im Elektronikbereich einige „Marken“, die man von den Billigangeboten auf Amazon her kennt.

Wie gesagt: Auch der Versand findet dezentral statt, was konkret bedeutet, dass beinahe alles per Flugzeug von China nach Europa gebracht wird. Dass Versandkosten beinahe durchgehend entfallen, müssen die auch noch von den kleinen Preisen refinanziert werden. Verrückt, das alles… Diese Mechanik hat einen gravierenden Nachteil: Die Lieferzeiten sind teilweise widersinnig lang. Auf ein Ringlicht fürs Smartphone für 8,45 Euro mussten wir sage-und-schreibe acht Wochen warten. Kleidung kommt schneller, aber ist auch selten unter drei Wochen unterwegs.
Fallen und Tipps
Zwei Fallen sind beim Wahrnehmen dieser Ultraschnäppchen zu beachten. Erstens: Gerade auf technische Produkte werden fast immer auch Zollgebühren fällig, wobei die Abwicklung teilweise höchst kompliziert ist. Zweitens: Irgendwelche Garantieleistungen oder irgendeine Art von Service kann man vergessen. Dieses Risiko wird aber durch die generell mögliche kostenlos und ohne Begründung mögliche Rücksendung aufgefangen. Allerdings kann es Monate dauern, bis der gezahlte Preis rückerstattet wird. Temu versucht Kunden auch davon abzuhalten, indem es einen mit Sonderrabatten und Umwandlung von Rückforderungen in Gutscheine zu ködern versucht.
Wer wirklich von den Irrsinnspreisen profitieren will, sollte folgende Tipps beachten:
– Kaufe nur dort, wenn du ein ganz bestimmtes Produkt brauchst.
– Ignoriere alle Verführungsaktionen.
– Stell dich auf extreme Lieferzeiten ein.
– Erwarte keinerlei Service.
Temu ist bekanntlich nicht die erste Plattform dieser Art, aber die erste hinter der angeblich eine mindestens fünfstellige Anzahl an Herstellern steht. Abgesehen von den verrückten Niedrigpreisen könnte Temu eine neue Phase des eCommerce einleiten. Man stelle sich das Prinzip mit seriösen und Markenherstellern vor, also eingeführten Unternehmen, die den gesamten Zwischenhandel ausschalten wollen, ohne auf einen eigenen Webshop angewiesen zu sein. Experten haben für den Textilbereich ausgerechnet, dass für nachhaltig produzierte Bekleidung Preise möglich wären, die mindestens 30 Prozent unter den üblichen Laden- und Amazon-Preisen liegen.
Fazit
Temu ist für Konsument:innen höchst verführerisch, weil es nachweisbar zu mehr Käufen, auch von Dingen, die man gar nicht braucht, kommt. Außerdem steht bei fast allen Produkten die Nachhaltigkeit bei der Herstellung und bei Kleidung menschenwürdige Arbeitsbedingungen im Zweifel stehen. Wer sich aber an ein paar selbstauferlegte Regeln hält, kann auf Temu ernsthafte Schnäppchen machen.
Danke für den interessanten Bericht,
scheint ja eine wahre Verführungs-APP zu sein.
Grüße aus Köln
Friedrich