Als in der Nacht vom vergangenen Sonntag auf Montag die Pop-Gigantin Taylor Swift den Kansas-Chiefs-Tight-End Travis Kelce mit einem Kuss für seine Beteiligung am Sieg im Super Bowl LVIII belohnte, hatten Werbekunden für einen 30-sekündigen TV-Spot rund sieben Millionen US-Dollar zahlen müssen. Dagegen wirken die 1,6 Millionen US-Dollar, die Apple für ein Video von 45 Sekunden Länge beim Super Bowl XVIII im Jahr 1984 ausgeben musste, vergleichsweise preiswert. Wobei noch einmal 800.000 US-Dollar für zwei weitere Apple-Spots hinzukamen.
Der Film, der in der Pause zwischen dem dritten und vierten Viertel gezeigt wurde, war alles andere als ein Werbespot, denn das Produkt wurde nicht erwähnt. Der geniale Regisseur Ridley Scott, verehrt für „Alien“ und „Bladerunner“, hatte im Auftrag von Apple-Boss Steve Jobs eine dystopische Vision in bewegte Bilder umgesetzt. Angelehnt an den Roman „1984“ von George Orwell sieht man grau gekleidete Glatzköpfe sauber ausgerichtet auf eine Leinwand starren, auf der der Große Bruder auf sie einredet. Eine junge Frau in Sportkleidung läuft durch die Reihen und schleudert einen Vorschlaghammer auf das Bild des Diktators. Dann liest man: „Am 24. Januar 1984 wird Apple Computer den Macintosh vorstellen. Und du wirst sehen, warum 1984 nicht wie ‚1984‘ sein wird.“
Hierzulande hat von dieser sensationellen Reklame niemand etwas mitbekommen. Denn 1984 wurde das Endspiel der amerikanischen Football-Liga NFL noch nicht in Deutschland übertragen. Außerdem interessierten sich in Deutschland nur ein paar Tausend Fans für diese uramerikanische Sportart. Da waren wir bei Data Becker in Düsseldorf schon ein bisschen weiter. Bereits 1978 war mit den Düsseldorf Panther nämlich ein American-Football-Club gegründet worden – sie sind heute das älteste noch existierende Team dieser Sportart in Deutschland und holten sechsmal die Deutsche Meisterschaft.
Wie es der Zufall will, unterstützte Data Becker die Düsseldorf Panther auf verschiedene Weise, unter anderem dadurch, dass Panther-Spieler nominell in der Firma angestellt waren. Für uns Angestellten hieß es aber, zu den Spielen der Panther zu gehen und sie zu unterstützen, sei quasi Ehrenpflicht. So kamen wir alle mit American Football in Kontakt. Aber, die NFL war weit weg und aus deutscher Sicht praktisch unsichtbar. Was wir wussten, wussten wir von den US-amerikanischen Teammitgliedern der Panther. Und dass es so etwas wie den Super Bowl gab, war auch schon Expertenwissen. Tatsächlich konnte man in Deutschland erst 1988 erstmals den Super Bowl live erleben – er wurde in ausgewählte Kinosäle übertragen, wo sich dann die absoluten Kenner mitten in der Nacht trafen. Die erste große Zeit der Super-Bowl-Partys kam erst ab etwa 1992.
So wird sich kaum jemand daran erinnern, dass sich im Super Bowl 1984 die Los Angeles Raiders und die Washington Redskins gegenüberstanden – zwei Teams, die mehrfach umzogen (zwischendurch Oakland Raiders, jetzt Las Vegas Raiders) oder sich umbenannten (Boston Braves, Boston Redskins, jetzt Washington Commanders). Das Tampa Stadium in Florida, in dem das Endspiel ausgetragen wurde, steht auch schon nicht mehr; es wurde 1988 abgerissen.
Also bleibt vor allem die Erinnerung an den absolut einzigartigen Werbespot für den Apple Macintosh in Erinnerung. Wir deutschen Computerjournalisten wussten schon von Apple, dass da etwas Ungewöhnliches kommen würde, hatten aber um den 22. Januar herum noch keine genaueren Informationen und erst recht keine Fotos von dem Computer, der die Welt verändern sollte. Die bekamen wir punktgenau zwei Tage später parallel zur offiziellen Präsentation des Macintosh durch Steve Jobs während der jährlichen Aktionärsversammlung in Cupertino. Ich war von Sekunde an glühender Macintosh-Fan. Den wollte ich haben! Den wollte ich besitzen.
Nun waren wir Leute von der Data Welt aus Sicht der Firma Apple eher kleines Gemüse, also Homecomputer-Nerds, denen man nun wirklich keine Testgeräte zur Verfügung stellen musste. Aber da hatte ich inzwischen schon die damalige Pressesprecherin, Renate Knüfer, kennengelernt. Die rief ich ungefähr eine Woche nach der offiziellen Vorstellung an, druckste ein bisschen herum, bis ich mit meinem Anliegen rauskam: Ich wollte bitte ganz schnell einen Mac kaufen, für mich privat. Sie versprach, zu tun, was möglich ist. Im Juli 1984 wurde ich stolzer Besitzer eines 128K-Mac; man sagte mir, es sei der dritte in Deutschland ausgelieferte Apple Macintosh. Über den Kaufpreis möchte ich den Mantel des Schweigens decken – ja, er war verdammt teuer; nein, ich bekam ihn nicht geschenkt.
Meine Begeisterung für den Mac hat eine Vorgeschichte. Kurz bevor ich als Chefredakteur der Data Welt einstieg, war ich als freier Mitarbeiter einer winzigen PR-Agentur beschäftigt. Als einzige:r Kolleg:in mit Affinität zur Technik galt ich bald als Textverarbeitungs-Guru, denn ich konnte nicht nur IBM-Kugelköpfe in Nullkommanix wechseln, sondern war der Einzige, der mit der einzigen, damals hochmodernen Speicherschreibmaschine von Triumph-Adler umgehen konnte. Außerdem hatte ich auch noch die Rank-Xerox-Kopiermaschine im Griff. So wurde ich praktisch zum IT-Beauftragten der Agentur und lag bald den Chefs damit in den Ohren, dass man doch endlich mal Computer einführen sollte.
Man beauftragte mich, dem Markt zu sondieren. So kam es, dass ich Anfang 1983 einen Termin mit einem Apple-Vertriebsmenschen hatte, der eine Lisa mitbrachte. Die Vorführung dauerte gut zwei Stunden, und ich war hin und weg. Dagegen konnten irgendwelche Commodores oder DEC-Rechner nicht anstinken. Als die Chefs lernten, dass sie für eine Apple Lisa mit rund 30.000 DM dabei wären, war das Projekt gestorben. Aber, ich hatte einen Blick in die faszinierende Welt der grafischen Benutzeroberfläche geworfen, der mich nie wieder losließ.
TV-Spots für irgendwelche digitalen Gadgets sucht man spätestens seit 2018, als zum letzten Mal Samsung Reklame für seine Galaxy-Smartphones machte, während der Super-Bowl-Live-Übertragungen vergebens. Für „Computer“ schon gleich gar nicht, denn persönliche Rechner sind Massenware, die Margen der Hersteller so gering, dass sich sieben Millionen US-Dollar für 30 Sekunden nicht mehr lohnen. Ob sich die 1,6 Millionen US-Dollar, die Apple seinerzeit für den Mac-Spot ausgegeben hat, ist schwer zu ermitteln. Denn in den ersten anderthalb Produktionsjahren war der Macintosh kein wirklich großer Verkaufserfolg – erst mit dem Mac SE von 1987 ging der Macintosh in größeren Stückzahlen über die Ladentheken.
Und hier der Original-TV-Spot aus dem Jahr 1984: