Ein fast professioneller Atari-ST-Arbeitsplatz (Foto: Rama via Wikimedia - siehe Bildnachweis unten)

Alle meine Computer – Phase II (1985 – 1987)

Um es ganz milde auszudrücken: 1985 war ein aufregendes Jahr für die Homecomputerei. Gleich drei wegweisende Innovationen veränderten die Branche für immer. Mit dem Atari ST und dem Commodore Amiga begann die 16-Bit-Ära, mit Microsoft Windows und GEM von Digital Research wurden grafische Benutzeroberflächen populär, und mit den IBM-PC-Kompatiblen begann die Digitalisierung des Mittelstandes. Bei DATA BECKER stand man sofort fest an der Seite des ST, schließlich war Dr. Achim Becker eng mit dem Commodore-Gründer und Atari-Käufer Jack Tramiel befreundet. So eng, dass er im Sommer 1985 im Sommerhaus der Tramiel-Familie am Lake Tahoe ein langes Interviel mit Tramiel führte…

Ein früher Amiga 500 in Vollausstattung
Ein früher Amiga 500 in Vollausstattung

…dass wir in voller Länge in der DATA WELT abzudrucken hatten. Die besagten Fortschritte spalteten aber auch die Gemeinde der Menschen, die vom Rest der Welt immer noch „Computer-Freaks“ genannt wurden. Diejenigen, denen es vor allem um die Programmierung ging, begrüßten den Atari ST als wahre 16-Bit-Maschine. Die Burschen (denn Frauen fanden sich in der Szene kaum), die vom C64 kamen und es mit Spielen, bunten Bildern und überhaupt Multimedia hatten, stürzten sich voller Begeisterung auf den Amiga. Und dann waren da noch die weniger Enthusiastischen, die den Computer in erster Linie als Werkzeug für die tägliche Arbeit (Schreiben, Rechnen, Daten speichern) betrachteten, wandten sich der MS-DOS-Welt zu.

Data Welt 9/86 - erstmals mit Amiga-Window
Data Welt 9/86 – erstmals mit Amiga-Window

Auf die Ankunft der grafischen Benutzeroberfläche reagierte Apple empört und schickte Armeen von Anwälten los. Schließlich nahmen die Herren in Cupertino die „Erfindung“ des GUI für sich in Anspruch und gingen davon aus, dass jedes andere grafische Nutzerkonzept bei ihnen abgekupfert sein müsste. Und vergaßen dabei, dass sie sich die zündende Inspiration für Mauszeiger und Bildschirmfenster bei Xerox im legendären Palo Alto Research Center, ähem, besorgt hatten. Und weil Apple so böse auf den Rest der Welt war und die DATA WELT zum ST-Fan-Blatt geworden war, bekamen wir ein Mac-Testgerät von der Apple-Pressechefin mit der Auflage, bei einem Vergleichstest dürfe die Überschrift nicht „Klein, stark und schnell“ lauten. Ja, eigentlich wolle man überhaupt keinen Vergleichstest…

Das isser: Der allererste IBM PC der Baureihe 5150
Das isser: Der allererste IBM PC der Baureihe 5150

Nun war aber die gesamte Redaktion, die mit der Umstellung auf monatliches Erscheinen auf insgesamt 18 Personen angewachsen war, von grafischen Benutzeroberflächen begeistert; bis auf drei Ausnahmen, die sich als aktiv Programmierer:innen die alten Zeiten zurückwünschten. Tatsächlich verbrachte nur ein Apple Macintosh je Zeit in der DATA-WELT-Redaktion, und zwar lediglich zwei Wochen. Dafür standen nun neben dem Commodore 8032 für die Satzvorbereitung diverse ST, zwei Amiga und erste IBM-Kompatible herum. Privat war ich mit meinem (inzwischen zweiten) Mac-Würfel außen vor, aber zahlreiche Gespräche mit Experten und Marktbeobachtern brachten mich zur Ansicht, dass ST und Amiga keine Zukunft haben würden, sobald sich die PC-Welt ebenfalls in die 16-Bit-Ära bewegen würde.

Data Welt 2/86
Als man GEM und Windows noch in Vergleichstests schickte

Mein erster eigener MS-DOS-Rechner war dann – aus alter Freundschaft – ein Commodore PC-10. Mich überzeugten in erster Linie die Anwendungsprogramme, die es in Hülle und Fülle gab und die samt und sonders von Profis für Profis entwickelt worden waren. Als alter Textverarbeiter war ich besonders angetan von den Wordprozessoren, allen voran WordStar und MS Word. Die Tabellenkalkulation Lotus 1-2-3 versetzte mich in Begeisterung, und mit dBase erschloss sich mir die Welt der Datenbanken.

Währenddessen programmierten und spielten die ST-Fanatiker, und die Amiga-Aficionados konnten sich vor Begeisterung für die Multitasking-, Sound- und Videofähigkeiten gar nicht mehr einkriegen. In der Redaktion existierten diese Fraktionen in friedlicher Eintracht nebeneinander. Nicht so ganz: Mit Christian Spanik (einem der hiesigen Digisaurier) war ein mächtiger Verfechter des Amiga ins Haus DATA BECKER gekommen, während Kollegen wie Ralf Ockenfelds die Atari-ST-Fahne schwenkten. Man beäugte sich mit eifersüchtiger Solidarität, und es gab lange, lange Diskussionen darüber, welche Welt sich wohl durchsetzen würde.

Atari TT, der ST-Nachfolger, an den Shiraz Shivji nicht glaubte
Atari TT, der ST-Nachfolger, an den Shiraz Shivji nicht glaubte

Um es ganz ehrlich zu sagen: Mit dem ST bin ich (trotz GEM, ein GUI, das ich bis heute für besser als Windows halte…) nie warm geworden, und den Amiga fand ich albern. Mag auch daran liegen, dass sich mir die Faszination für Computerspiele nie erschlossen hat; außer Schach habe ich wenig mehr als Tetris je öfters gespielt. Was es an Games für den Mac und die PC-Kompatiblen gab, war im Vergleich zum Angebot für ST und Amiga lächerlich, was viele Computer-Freaks eben auch zu den 16-Bit-Rechnern hinzog.

Aber, es gab eine weitere Entwicklung, die den Gang der Geschichte während dieser Phase der Homecomputerei stark prägen würde. Bis etwa 1983 gab es Anwendungsprogramme und Computerspiele im Wesentlichen in zwei Geschmacksrichtungen: von Hobbyisten programmiert und kostenlos per Listung zu beziehen oder als schweineteure Softwarepakete mehr oder weniger großer Hersteller. DATA BECKER hatte sich mit seinen Programmen für den C64 dazwischen positioniert, was Komplexität und Preis anging. Weil die Freaks aber grundsätzlich nicht bereit waren, Geld für Software zu geben, wurde raubkopiert, was das Zeug hielt.

Wordstar - die erste richtige Textverarbeitung
Wordstar, das Ding mit dem Hilfefenster – was für Weicheier, denn Cracks kannten die Befehle alle auswendig!

Der Krieg der Hersteller gegen die Cracker begann und wurde von Jahr zu Jahr brutaler. Immer noch bezogen Millionen von jungen Männern ihr Selbstverständnis aus den glorreichen, aber vergangenen Jahre sagenumwobener Institutionen wie dem Homebrew Computer Club und den Telefonpiraten, und der Hippiespruch „Software wants to be free“ war ein Evangelium. Diese Klientel crackte um des Crackens willen auch die fetten Profipakete, aber Schaden richteten sie eben hauptsächlich im Bereich der Spiele und der Preiswert-Software an. Das führte dazu, dass die Entwicklungen der führenden Hersteller Microsoft, Micro-Pro, Lotus, WordPerfect und so weiter fast ungestört weiterliefen, während viele kleinere Unternehmen Produkte einstellten oder nicht weiterentwickelten.

Intel 80286 - der King der frühen Windows-Jahre
Intel 80286 – der King der frühen Windows-Jahre

Die Konsequenz: Im rasant wachsenden IT-Markt der Freiberufler, gewerblichen Nutzer, der kleinen und mittleren Unternehmen setzten sich die IBM-Kompatiblen immer mehr durch. Weil die Originale von IBM immer noch abartig teuer waren, sprangen 1985 und 1986 fast alle existierenden Hersteller von kleinen Computern auf den PC-Zug auf, und innerhalb von kaum zwei Jahren entstand die gesamte taiwanesische Branche der IBM-Kompatiblen. Kostete ein PC-System in den 8086-Tagen noch gut 10.000 DM, bekam man Anfang 1986 brauchbare MS-DOS-Rechner schon für unter 3.000 DM. Der gewaltige Preisunterschied zum Atari ST und zum Commodore Amiga war futsch.

Zudem war die MS-DOS-Welt dank der Intel-CPU vom Typ 80286 auch schon großflächig in der 16-Bit-Ära angekommen, und wer auf sich hielt, hatte nun einen AT. Ja, mit dem 1985 vorgestellten 80386 stand man sogar schon an der Schwelle zum 32-Bit-Zeitalter. Wie wir wissen, kam Atari dorthin erst mit dem Motorola 68030 und dem TT im Jahr 1990. Amiga kam mit dem 4000er und einer 68040-CPU gar erst 1992 dort an. Meine Entscheidung lautet daher: PC rules!

Der Mac II - eine stattliche-schöne Erscheinung
Der Mac II – eine stattliche-schöne Erscheinung

Ich war Mitte 1986 privat auch schon bei einem 386er angelangt; es war einer der ersten Highsreen-Kästen von Vobis. Zudem war es mir gelungen, Dr. Achim Becker davon zu überzeugen, dass die Zukunft eben nicht bei den „Spielkisten“ à la ST und Amiga läge, sondern bei den Windows-Computern. Die Idee zur PC Praxis war geboren, die dann zur CeBIT 1987 als DATA-WELT-Sonderheft herauskam. Viel, viel mehr als all die Maschinen der Intel-Welt aber faszinierte mich der Mac II, der Ende 1986 vorgestellt wurde und im Frühjahr 1987 nach Deutschland kam – den MUSSTE ich haben!

[Bildnachweis – Titel: Rama via Wikimedia unter CeCILL-Lizenz]

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