Andreas von Bechtolsheim ca. 2019 (Bildnachweis siehe unten im Text)

Computerhelden (25): Andreas von Bechtolsheim, Bastler und Unternehmer

Nur zweimal bin ich Andreas von Bechtolsheim begegnet, und nur einmal habe ich mit ihm gesprochen. Es dürfte auf der CeBIT 1987 gewesen sein, kaum ein Jahr nach dem enorm erfolgreichen Börsengang seiner Firma Sun Microsystems. Schon als ich ihm gegenüberstand, war klar: Der ist eine Nummer zu groß für den kleinen Redakteur einer kleinen Computerzeitschrift aus dem kleinen Deutschland. Ein Interview sollte es werden, aber mir fiel keine schlaue Frage ein. Der Ändy, wie ihn nicht nur seine Freunde nennen (sollen), spulte ein paar Visionen ab und sagte: „That’s it. Noch Fragen?“ Als ich stumm blieb, reichte er mir die Hand und sagte zum Abschied einfach „See you“. Freundlich war er, aber auch ungeduldig. Und vermutlich war die Begegnung nur eine winzige Störung in seiner unternehmerischen Tour über die Messe.

Obwohl wir uns als Gazette für die Homecomputer-Bewegung verstanden und ich persönlich damals fanatischer Mac-User war, faszinierte mich dieses Unternehmen, das der junge Deutsche – bei Gründung war er gerade einmal 26 Jahre alt – aufgebaut hatte. Allein schon der Name: Sun – und das mit Sitz in Kalifornien, wo die Sonne immer scheint. Dass der Firmenname ganz prosaisch ein Akronym für Stanford University Network war, erfuhr ich später … und habe es immer ignoriert.

Andy von Bechtolsheim in der Sun-Fabrik (Bildnachweis siehe unten im Text)
Andy von Bechtolsheim in der Sun-Fabrik (Bildnachweis siehe unten im Text)

Aus meiner Sicht schickte sich Ändys Company damals an, auf Augenhöhe mit Microsoft und Apple zu operieren und beide Giganten der IT zu überholen. Mir schien, Andreas von Bechtolsheim war auf dem Weg, König der Computerwelt zu werden. Das lag meiner Einschätzung nach an zwei Dingen: 1. Mit dem RISC-Prozessor SPARC waren sie allen anderen Hardwareherstellern weit voraus. 2. Die Betriebssysteme SunOS und mehr noch Solaris waren so viel moderner als das ganze andere Zeug.

Die SPARC-Station 1, designt von Esslinger (Bildnachweis siehe unten im Text)
Die SPARC-Station 1, designt von Esslinger (Bildnachweis siehe unten im Text)

Von der Sun-Technologie war ich jedenfalls total begeistert. Und als ich zum ersten Mal eine SPARCstation 1 in echt sah, war ich hingerissen. Da hatte der legendäre Designer Hartmut Esslinger – ähnlich wie bei seinen Entwürfen für verschiedene Apple-Rechner – voll ins Schwarze der Industrieästhetik getroffen. Außerdem war ich dank eines Kollegen um 1988 herum zum UNIX-Fan geworden und war überzeugt davon, dass die Zukunft der persönlichen Computerei diesem System beziehungsweise seiner diversen Ableger gehören würde – auch bei Homecomputern. MacOS und MS-DOS mit Windows hatte meiner Meinung nach keine Zukunftsperspektive mehr. Als mir dann 1990 der NeXT-Cube aus dem Hause Steve Jobs in die Hände fiel, bestärkte das nur meine Überzeugung. Kein Wunder übrigens, dass his Steveness in seiner NeXT-Zeit in sehr intensivem Kontakt mit Sun und auch von Bechtolsheim stand.

Der Ändy als Wunderkind mit seiner ersten Erfindung (Bildnachweis siehe unten im Text)
Der Ändy als Wunderkind mit seiner ersten Erfindung (Bildnachweis siehe unten im Text)

Der Ändy war schon fast so etwas wie ein Wunderkind, das 1971 mit knapp 17 Jahren das Abitur machte und wenig später für Freunde der Familie einen Mikrocomputer auf Basis des Intel 8008 entwickelt und übrigens auch eigenhändig gefertigt. Das Ding wurde zur Steuerung von Stanzmaschinen benutzt, und als die Herstellung von anderen übernommen wurde, bekam er 100 DM pro Gerät als Lizenzgebühr. Diese Anekdote, die in keinem Porträt des Andreas von Bechtolsheim fehlen darf, illustriert seine Doppelbegabung: als Ingenieur und als Unternehmer. 1974 gewann er dann mal eben den ersten Preis im Fach Physik beim Wettbewerb „Jugend forscht“.

Das trug ihm ein Stipendium für das Fach Elektrontechnik an der TU München ein, Schwerpunkt Datenverarbeitung. Da langte der Ändy sich ans Hirn: Datenverarbeitung! Und dann keine Computer für die Studenten? Kann ja wohl nicht wahr sein. Und floh ins gelobte Land der IT, in die USA. Dank eines Fulbright-Stipendiums konnte er sich an der Carnegie-Mellon-Uni in Pittsburgh einschreiben, damals einer der Hotspot der Datenverarbeitungsforschung. Weil aber das Silicon Valley noch mehr Möglichkeiten bot, wechselte er alsbald an die Stanford University.

Das ursprüngliche Sun-Logo
Das ursprüngliche Sun-Logo

Da frustrierte ihn eine Sache, die auch einen anderen späteren Computer-Granden quälte. Ein gewisser Bill Gates, ziemlich genauso alt wie von Bechtolsheim, hatte es satt, Rechenzeit auf dem Großcomputer Wochen im Voraus buchen zu müssen, um dieses oder jenes selbstverfasste Programm testen zu können. Beide wollten den Computer für Studenten: preiswert, schnell und persönlich verfügbar. Nur der Weg, den sie einschlugen, war anders. Während der Microsoft-Gründer – wie Jobs und Wozniak von Apple – einen wirklich persönlichen Computer anstrebten, dachte der Ändy gleich an die Vernetzung, also an die Möglichkeit mit einem erschwinglichen Gerät auf die IT-Ressourcen einer ganzen Uni oder eines ganzen Unternehmens zugreifen zu können.

Drei der vier Sun-Gründer (Foto: (c) Matthew Naythons)
Drei der vier Sun-Gründer (Foto: (c) Matthew Naythons)

Erfunden hat er die Idee von der Workstation nicht, aber a) zu Ende gedacht und b) für die damalige Zeit perfekt umgesetzt. Gemeinsam mit Vinod Khosla, Scott McNealy und dem kurz vorher dazugestossenen Bill Joy gründete er im Februar 1982 die Firma Sun Microsystems mit dem Ziel, Workstations auf dem höchsten Stand der Technik zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Für den höchsten Stand der Technik in Sachen Hardware war Andreas zuständig, der geborene Bastler, der nach eigenem Bekunden schon mit sechs Jahren den Lötkolben schwang.

Schon die ersten Prototypen mit Motorola-68000-Prozessoren erregten auf den regionalen Messen großes Aufsehen. Und die Sun 2 mit dem eigenen Betriebssystem SunOS wurde zum echten Verkaufsschlager. Das alles finanziert durch Risikokapital, was Sun nebenbei zum ersten Start-up-Unternehmen im heutigen Sinn machte. Auf Anhieb eroberte Sun den Markt der Workstations, der um 1982 herum noch von einer Firma Apollo beherrscht wurde, die heute kaum noch jemand kennt. Bekannte Unternehmen wie DEC, Data General und Hewlett-Packard spielten keine große Rolle, und die alles überragende IBM hatte diesen Markt noch nicht für sich entdeckt.

Andreas von Bechtolsheim war einer der ersten Ingenieure, der die Vorteile der RISC-Architektur erkannte und deshalb in kürzester Zeit die SPARC-CPU, die ab 1986 in jeder Leistungskategorie allen anderen Prozessoren überlegen war. Weil zudem das neue Betriebssystem Solaris ganz auf diese Architektur zugeschnitten war, galten die Sun-Workstations als die besten „kleinen“ Computer der Achtzigerjahre.

microSPARC II, der Superchip seiner Zeit (Bildnachweis siehe unten im Text)
microSPARC II, der Superchip seiner Zeit (Bildnachweis siehe unten im Text)

Es war genau in dieser Ära, in der sich Ändy auch als Entrepreneur profilieren konnte. Dabei lag ihm das Unternehmertum genauso im Blut wie das Basteln. Noch in Deutschland hatte er geäußert, dass er eines Tages eine eigene Firma besitzen wollte. Dies sei nämlich die beste Methode, um Geld zu verdienen. Über all die Jahre kritisierte er aus dieser Haltung heraus das deutsche Hochschulwesen, das seiner Meinung nach Kreativität und Innovationen verhinderte, anstatt zu fördern. Andreas von Bechtolsheim war also im Silicon Valley der Achtzigerjahre genau da, wo er hingehörte. Und entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem Typus IT-Unternehmer, der heute die erfolgreichsten Firmenlenker der IT hervorbringt, weil er technisches Knowhow, Leidenschaft für Innovationen und kreatives Management in einer Person vereint.

Ein Beitrag über Andreas von Bechtolsheim und Sun darf nicht enden, ohne dass von Java die Rede war. Auch wenn von Bechtolsheim am Entwicklungsprojekt nicht beteiligt, war, erkannte er doch die enorme Bedeutung dieser Programmierumgebung, die in vieler Hinsicht Vorbild für alle die Frameworks der Web-Welt ist, die mit dem Netscape Navigator den ersten Browser hervorbrachte und über lange, lange Zeit die Basis für fast alle Web-Anwendungen war.

Das ganze Sun-Team ca., 1986 (Bildnachweis siehe unten im Text)
Das ganze Sun-Team ca., 1986 (Bildnachweis siehe unten im Text)

Andy von Bechtolsheim war und ist keiner, der sich auf Lorbeeren ausruhen kann und will. 1995 verließ er Sun, um eine Firma zu gründen, die sich mit Highspeed-Switches befasste, also einer Technologie, die für das damals gerade erst aufkommende Internet von entscheidender Bedeutung war. Mit dem Verkauf von Granite an Cisco wurde er zum Milliardär. Ende 2003 verließ er den Laden und wechselte umgehend zu Kealia, einem Start-up rund um die Streaming-Technologie, das keine größeren Spuren in der Computergeschichte hinterlassen hat und 2004 von Sun übernommen wurde. Dort wirkte er an einem System, das von den Medien gern „Bechtolsheim-Maschine“ genannt wurde, einem Monster mit AMD-Opteron-Prozessoren, das bei der Geschwindigkeit in den Bereich der Supercomputer vorstieß, aber kommerziell unter der Bezeichnung Sun Fire kein großer Erfolg wurde.

Schon Mitte der Achtzigerjahre wurde von Bechtolsheim auch als Investor aktiv und war an der Gründung von gut zwei Dutzend Start-ups und zwei Händen voll bestehender Unternehmen beteiligt. Vermutlich die wertvollste Investition war die in Google, die er zu einem Zeitpunkt tätigte, als man noch über Web-Verzeichnisse, nicht aber über Suchmaschinen nachdachte. Kann sein, dass diese Beteiligung den größten Anteil an seinem Vermögen ausmachte, das heute auf mindestens 8,5 Milliarden US-Dollar geschätzt wird.

Dass er 1999 die deutsche Softwareschmiede Star Division für Sun kaufte, hatte sehr viel damit zu tun, dass er und Star-Division-Gründer Marco Börries sich angefreundet hatten und Andy den Marco im Unternehmen haben wollte. Die Ehe hielt keine zwei Jahre, dann verließ Marco Sun wieder, um sich seinem unbändigen Tatendrang zu widmen.

Den musste er nicht von Andreas von Bechtolsheim lernen, der auch nach dem Ende von Sun und bis auf den heutigen Tag überall das mitmischt, wo es gilt, die Informationstechnik mit allen ihren Facetten voranzutreiben. Hier ein wunderbares Porträt von Ändy aus dem Jahr 1987:

[Bildnachweise – Titelbild: via Forbes Magazin; Gründer: via Wirtschaftswoche; Sun-Fabrik: via Businessinsider; SPARC: Konstantin Lanzet via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DEED; SPARC-Station: via blog.hnf]

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