Eine der besten Digitalkameras - liefert natürlich RAW-Bilder (Foto: Leica)

Kleine Weltgeschichte der Digitalfotografie (4): Roh oder entwickelt – die Dateiformate

Wenn Fotoprofis die RAW-Daten aus ihrer Kamera mit einem geeigneten Programm bearbeiten und dann als TIFF– oder JPEG-Datei speichern, sprechen sie gern davon, dass sie das Bild „entwickelt“ haben. Der Begriff stammt aus der analogen Fotografie. Da fällt das Licht bekanntlich durch das Objektiv auf einen mit einer lichtempfindlichen Substanz beschichteten Film und löst dort eine chemische Reaktion aus. Diese erzeugt das negative Abbild des Motivs. Aber: Die Negative auf dem Film müssen vor der Weiterverarbeitung entwickelt werden; d.h. die aufgezeichneten Bilder müssen chemisch so behandelt werden, dass erneuter Lichteinfall nichts mehr verändert. Erst von einem entwickelten Film können sogenannte Abzüge gemacht werden, also positive Bilder, die dem aufgenommenen Motiv entsprechen.

Und an dieser Stelle merkt man schon, dass der Begriff „entwickeln“ in der Digitalfotografie einigermaßen hinkt. Denn eigentlich wird das Bild bereits beim Speichern „entwickelt“. Denn zunächst entsteht beim Knipsen nur eine große Datenmenge, die nicht nur aus den einzelnen Pixeln mitsamt ihrer Farbe bestehen, sondern eine Menge Informationen darüber, mit welchen Einstellungen das Bild aufgenommen wurde. Das ist wichtig, wenn eine Aufnahme softwarewmäßig weiterverarbeitet wird, denn digitale Bildbearbeitung ist zum überwiegenden Teil nichts anderes als die Manipulation der beim Fotografieren verwendeten Bildparameter.

Dazu zählen insbesondere:

  • die Lichtempfindlichkeit
  • die Blende
  • die Belichtungszeit
  • der Fokus
Der Unterschied: rechts RAW, links JPEG (via dieolsenbande.de)
Der Unterschied: rechts RAW, links JPEG (via dieolsenbande.de)

Und natürlich die Abermillionen einzelner Pixel mitsamt ihren Farbwerten. Diese Rohdaten müssen für die Weiterverarbeitung gespeichert werden. Aber schon bei den ersten Digitalknipsen mit Flash-Karten war es Usus, diese Rohdaten gar nicht erst zu speichern, sondern aus ihnen in Echtzeit Dateien in einem gängigen Dateiformat zu machen. Die Mehrzahl der Hersteller von Kameras für den Rest von uns hatten sich Mitte der Neunziger für das JPEG-Format (Joint Photographic Experts Group) von 1991 entschieden, einem für die damalige Zeit, in der Speicher teuer war, hochmodernes, verlustbehaftetes Grafikformat. Das im Übrigen gar nicht im Hinblick auf die Digitalfotografie entwickelt worden war.

RAW  ist nicht RAW und unterscheidet sich sogar in einer Herstellerwelt voneinander (Abb.: Jill Ehrat via digitalphoto.de)
RAW ist nicht RAW und unterscheidet sich sogar in einer Herstellerwelt voneinander (Abb.: Jill Ehrat via digitalphoto.de)

Das Attribut „verlustbehaftet“ sagt es schon: Um massiv Speicherplatz sparen zu können, müssen Daten komprimiert werden, es müssen also die Daten, deren Vorhandensein für die Bildqualität nicht wichtig sind, weggelassen werden. Das funktioniert bei JPEG ganz ähnlich wie beim Musikformat MP3, bei dem ja die fürs menschliche Ohr kaum hörbaren und/oder über übliche Lautsprecher nicht hörbar zu machenden Frequenzen abgeschnitten werden. Weil das JPEG-Format schnell standardisiert war, war auch klar, wie man Rohdaten in der Kamera in JPEG-Daten umwandeln konnte. Und diesen Vorgang legten die Hersteller in ihrer festverdrahteten Software ab.

Bei den digitalen Spiegelreflexkameras (DSLR) für Profis gingen die Hersteller, allen voran Canon und Nikon gleich einen anderen Weg; sie speicherten auch die Rohdaten ab. Das Problem bis heute: Das, was so nonchalant RAW genannt wird, ist nicht standardisiert. Das hat zur Folge, dass Fotos im RAW-Format nur von Software auf dem Rechner angezeigt werden, wenn diese Software das jeweilige, proprietäre Rohdatenformat lesen und übersetzen kann. Seitdem Adobe Photoshop (und dessen Derivate und Klones) aber die RAW-Formate praktisch aller DSLR-Hersteller lesen kann, müssen Aufnahmen nicht mehr schon in der Kamera in ein anderes Dateiformat übersetzt werden, sondern können als RAW-Dateien geladen und dann bearbeitet und konvertiert werden.

Es gibt zig RAW-Konverter, z.B. Capture One (Screenshot)
Es gibt zig RAW-Konverter, z.B. Capture One (Screenshot)

Was gern unerwähnt bleibt, wenn es um Dateiformate in der Digitalfotografie geht: Wie Bilder bearbeitet werden und in welches Standardformat sie konvertiert werden sollten, hängt vom geplanten Verwendungszweck ab. Für die Darstellung von Fotos auf Bildschirmen – egal, ob am PC, auf dem Smartphone oder dem Fernseher – reicht in aller Regel das JPEG-Format aus. Soll das Foto aber in irgendeiner Form gedruckt werden, empfiehlt sich das bewährte TIFF-Format. Das heißt aber auch, dass man Aufnahmen zur Verbreitung in Medien nur dann im RAW-Format anliefern sollte, wenn dies ausdrücklich gefordert wird.

Es gäbe noch viel zu erzählen aus der Welt der Digitalfotografie. Den ganzen Bereich der Handy- und Smartphone-Fotografie haben wir ebenso ausgespart wie die Trends rund um die Anwendung der KI in der Fotografie. Also beenden wir an dieser Stelle unsere kleine Weltgeschichte der Digitalfotografie.

Hier geht es zu den anderen Folgen der Serie:
(1): Vom CCD-Sensor bis zur Sony Mavica
(2): Ohne Flash kein Knips – ein Hoch auf Fujio Masuoka!
(3): Vom Fotografierkästchen zur DSLR – die Formatfaktoren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert