CCD-Sensor in einer Webcam (Bildnachweis siehe unten im Text)

Kleine Weltgeschichte der Digitalfotografie (1): Vom CCD-Sensor bis zur Sony Mavica

Es gibt nur wenige Erfindungen im Umfeld der Computertechnik, die dem jeweiligen Erfinder einen Nobelpreis eingetragen haben. Der CCD-Sensor ist eine solche Erfindung. Im Jahr 2009 wurden Willard Boyle und George E. Smith mit dem Nobelpreis für Physik wegen genau dieser Erfindung ausgezeichnet. Eigentlich waren Charged-Coupled Devices für die Datenspeicherung gedacht, aber schon während der Entwicklung, die 1969 abgeschlossen war, erkannten die Ingenieure, dass CCD-Sensoren lichtempfindlich sind und man mit ihnen Bilder zweidimensional aufzeichnen kann. Das war der Ausgangspunkt für die Digitalfotografie, wie wir sie heute kennen.

Dabei baute die Arbeit von Boyle und Smith auf dem bereits mehr als einhundert Jahre zuvor entdeckten photoelektrischen Effekt. Das Ladung freigesetzt wird, wenn Licht auf eine geeignete metallische Fläche fällt, hatte schon 1863 der französische Physiker Alexandre Becquerel entdeckt; dieser Effekt wurde folgerichtig nach ihm benannt. Heinrich Hertz bestätigte dies 1886 durch Experimente mit ultraviolettem Licht und entdeckte so den äußeren Photoeffekt, der später nach dem Physiker Wilhelm Hallwachs, der die Hertz’schen Ergebnisse bestätigen und die Experimente ausbaute, Hallwachs-Effekt genannt wurde.

Schematische Darstellung des photoelektrischen Effekts (Bildnachweis siehe unten im Text)
Schematische Darstellung des photoelektrischen Effekts (Bildnachweis siehe unten im Text)

Damit war die Basis für die Photoelektrizität und ihre Anwendung – zum Beispiel in Form von Photozellen – gelegt. Viel bedeutender, ja, für die Menschheitsgeschichte ist aber, dass diese Forschungen Ausgangspunkt für die Quantenphysik sind. Und das haben wir Albert Einstein zu verdanken, der 1905 in seiner Arbeit „Ueber einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt“ die schlüssige Erklärung für die photoelektrischen Effekte fand, was wiederum grundlegenden Einfluss auf die durch die Quantentheorie ausgelöste Revolution der Physik hatte. Einstein erhielt übrigens 1921 den Nobelpreis für Physik für diese Arbeit.

Im Bereich der Anwendung tat sich über rund 60 Jahre wenig bis nichts in Sachen Photoelektrizität. Nicht einmal die Vervielfältigungstechniken, vom Offset-Druck bis zur Blaupause, machten sich photoelektrische Effekte zunutze. Da mussten erst Mr. Boyle und Mr. Smith kommen und bei der Entwicklung des CCD-Sensors darauf kommen, dass ein solcher Sensor durch gezielte Bestrahlung mit Licht als Speichermedium für Bildinformationen genutzt werden kann.

Zeilensensor in einem Faxgerät (Bildnachweis siehe unten im Text)
Zeilensensor in einem Faxgerät (Bildnachweis siehe unten im Text)

In der Praxis besteht ein CCD-Sensor aus einer Matrix lichtempfindlicher Photodioden. Bei diesen handelt es sich um aus geeignetem Material gefertigte Halbleiter, die auf Licht reagieren, Strom freisetzen oder diesem je nach Schaltung einen Widerstand entgegensetzen. Im CCD-Sensor fungiert jede Photodiode als Bildpunkt, also als Pixel im physischen Sinn. Dass Photodioden am Werk sind, erklärt, dass ein CCD-Sensor umso lichtempfindlicher ist, je größer die Pixel sind. Umgekehrt wächst die Bildauflösung, je kleiner die Pixel sind.

CCD-Sensoren für die Bilderfassung sind vom Typ her Flächensensoren, in denen vertikale und horizontale Lagen von Photodioden die entstehende Ladung rhythmisch verschieben, sodass diese einfach ausgelesen und digital verarbeitet werden kann. Die Sensoren in modernen Digitalkameras funktionieren immer noch nach diesem Prinzip. Die technische Entwicklung hat jedoch dazu geführt, dass ein solcher Sensor auf vergleichsweiser kleiner Fläche Millionen an Pixeln speichern kann – beschrieben wird dies durch den Wert Megapixel (MP).

Sensorformate in Digitalkameras (Bildnachweis siehe unten im Text)
Sensorformate in Digitalkameras (Bildnachweis siehe unten im Text)

In Digitalkameras werden Sensoren unterschiedlicher Größen und Formate eingesetzt. Das sogenannte Vollformat entspricht mit annähernd 24 x 36 mm in etwa dem Format des klassischen Kleinbildfilms. Moderne Systemkameras sind mit Sensoren dieser Größe oder mit solchen nach dem Micro Four Thirds (MFT; 17,3 x 13 mm) oder APS-C (22,2 x 14,8 mm bzw. 23,7 x 14,6) ausgestattet. Werden auf der jeweiligen Fläche 20 MP untergebracht, werden die Pixel bei größeren Sensoren lichtempfindlicher, was unter fotografischen Gesichtspunkten bedeutet, dass diese rauschärmere Bilder liefern.

Gebaut wurden die ersten CCD-Sensoren um 1970 herum. Beschleunigt durch die galoppierende Miniaturisierung von Halbleiterelementen und anderen elektronischen Bauteilen wurden ab etwa 1973 CCD-Sensoren bei Fairchild serienmäßig gefertigt, die für die praktische Anwendung im Bereich der Bildaufzeichnung geeignet waren. So kamen zu dieser Zeit erste Fernsehkameras – zuerst von Fairchild selbst – mit CCD-Sensoren in die Studios und machten die magnetische Aufzeichnung (MAZ) zum Standard der TV-Technik.

Prototyp der ersten Sony Mavica (Bildnachweis siehe unten im Text)
Prototyp der ersten Sony Mavica (Bildnachweis siehe unten im Text)

Komischerweise kam in dieser Phase niemand auf die Idee, CCD-Sensoren beim Fotografieren zu verwenden. Immerhin begann die Firma Sony, die bei den CCD-TV-Kameras führend war, über die Verwendung der CCD-Technologie in Consumer-Produkten nachzudenken. Etwa 1980 kam die Idee auf, per CCD-Sensor aufgenommene Bewegtbilder auf digitalen Datenträger, genauer: auf Disketten zu speichern. Bis dahin waren digitale Videokameras nur verkleinerte TV-Kameras, die Bilder auf Magnetbändern aufzeichneten. 1981 kündigte Sony dann die Mavica an. Es sollte sich um eine umgebaute Spiegelreflexkamera handeln, bei der Standbilder aus der fortlaufenden Aufnahme auf Disketten gespeichert werden sollten.

Tatsächlich blieb es bei der Ankündigung, und erst 1987 brachte Sony dann eine sogenannte „Still-Video-Kamera unter dem Produktnamen Mavica als Modell MVC-A7AF auf den Markt. Als Datenträger fungierten spezielle 2-Zoll-Disketten, auf die jeweils 50 Bilder passten. Wegen technischer Schwierigkeiten wurde die Produkteinführung auf 1988 verschoben, und der angekündigte Kaufpreis von 650 US-Dollar wurde zwar eingehalten, führte aber angesichts der geringen Stückzahlen dazu, dass Sony bei jeder Mavica draufzahlte. Außerdem: Um ein Mavica-Foto auf Papier zu bringen, waren erhebliche digitale Verrenkungen nötig. Dafür konnte man sich die Bilder mit einem (teuren) Adapter auf dem Fernseher anschauen. Wohlgemerkt: Die Mavica war keine Digitalkamera im heutigen Sinn, denn die Bilder wurden analog gespeichert, die Pixel also nicht digitalisiert!

Sony Mavica FD5 - die erste digitale Mavica (Bildnachweis siehe unten im Text)
Sony Mavica FD5 – die erste digitale Mavica (Bildnachweis siehe unten im Text)

Mir ist die Mavica ein paar Mal bei Kollegen begegnet, die Fotos für Presseerzeugnisse zu schießen hatten und bei Verlagen arbeiteten, die dem technischen Fortschritt gegenüber aufgeschlossen waren und hochaktuelle Fotos gern noch kurz vor Umbruchschluss einfügten. Denn der große Systemvorteil dieser Form der Fotografie per CCD-Sensor war es, dass kein aufwendiger chemischer Prozess in der Dunkelkammer nötig war, um eine druckfähige Vorlage zu bekommen. Das ist auch der Grund, weshalb auch in der nächsten Phase des digitalen Fotografierens vor allem Maschinen entstanden, die explizit für Fotojournalisten gedacht waren. So wie die Kameras der DCS-Serie von Kodak, mit denen wir die nächste Folge unserer kleinen Weltgeschichte der Digitalfotografie beginnen werden.

Hier geht es zu den anderen Folgen der Serie:
(2): Ohne Flash kein Knips – ein Hoch auf Fujio Masuoka!
(3): Vom Fotografierkästchen zur DSLR – die Formatfaktoren
(4): Alles Software, oder was? – Dateiformate und KI

Schönes Erklärvideo zur Wirkungsweise von CCD-Sensoren (auf Englisch):

[Bildnachweis – Sensorformate: Хрюша via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DEED; Mavica Prototyp: Morio via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DEED; Mavica FD5: Scott Pakulski via Camera-Wiki unter einer Creative-Commons-Lizenz; Mavica CD400: David Sebben via Camera-Wiki unter einer Creative-Commons-Lizenz; Webcam-CCD: Zephyris via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DEED; CCD-Zeilensensor: Stefan506 via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DEED; Photoelektrischer Effekt: Ponor via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 DEED]

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