Kodak DC25, die erste Digitalkamera mit Flashcard-Slot (Bildnachweis siehe unten im Text)

Kleine Weltgeschichte der Digitalfotografie (3): Vom Fotografierkästchen zur DSLR – die Formatfaktoren

War die Sony Mavica noch als Fotoapparat erkennbar, scheinen einige Anbieter in den Neunzigerjahren nicht so recht gewusst haben, wie denn eine digitale Kamera aussehen soll. Da kamen Dinger raus wie Apples Quicktake oder die Chinon ES-3000 (beide von 1995), die eher Fotografierkästchen waren. Das waren die Geräte für den „Massenmarkt“, also für uns Endverbraucher:innen. Kameras, die auf Profis zielten, sahen dagegen genau aus wie ihre analogen Vorbilder.

Bei Kameras für das Kleinbildformat mit einer Negativgröße von 24 mal 36 Millimetern hat Leica den Formfaktor vorgegeben. Die Idee, einen Fotoapparat zu bauen, den jedermann jederzeit mit dabeihaben konnte, ein handliches und im Vergleich zu den Vorgängern leichtes Gerät, hat die Fotografie revolutioniert, insbesondere den Bildjournalismus. Nun musste niemand mehr einen unförmigen, schweren Kasten mit sich herumschleppen, um vor Ort und/oder spontan Bilder zu schießen. Die Größe war konsequent auf den zu verwendenden Film zugeschnitten und rechteckig. Schon die Leica I (A) war nur unwesentlich höher als eine Filmpatrone, die Breite richtete sich nach der notwendigen Mechanik, addierte sich also aus zweimal der Dicke einer Patrone plus dem Fenster für den Film, durch den das Licht auf dessen lichtempfindliche Schicht fiel.

Die Leica I (A) gab den Formfaktor für Kleinbildkameras vor (Bildnachweis siehe unten im Text)
Die Leica I (A) gab den Formfaktor für Kleinbildkameras vor (Bildnachweis siehe unten im Text)

Bis zur Erfindung der Spiegelreflexkamera für den Kleinbildfilm war dieser Formfaktor Standard. Dann brachte eine Firma Ihagee aus Dresden Ende der Dreißigerjahre mit der Kine Exakta den ersten Apparat auf dem Markt, bei dem der Sucher genau das zeigte, was später auf den Film gebannt würde. Tatsächlich gab es das Prinzip aber schon ab 1861 für die riesigen Kamerakisten, sogar schon mit beweglichem Spiegel. Eigentlich war die Kine Exakta nur eine Kleinbildkamera mit einem Aufbau für die Spiegelmechanik oberhalb der Optik. Bis heute gibt es diesen Formfaktor – auch bei digitalen Spiegelreflexkameras (DSLR).

Formfaktor Kleinbildkamera: meine geliebte Lumix DMC-GF2 (Foto: DS)
Formfaktor Kleinbildkamera: meine geliebte Lumix DMC-GF2 (Foto: DS)

Bei den transportablen Apparaten für das Mittelformat mit einer Negativgröße von 6 mal 6 Zentimetern gingen die Hersteller zwei unterschiedliche Wege. Die einäugigen waren (und sind) fast durchweg Würfel, bei den zweiäugigen kam auf den Quader, um Raum für das zweite, das Sucherobjektiv zu schaffen. Komischerweise kam kein Hersteller auf die Idee, diese Formfaktoren bei den digitalen Kameras nachzuahmen.

Die Agfa Actioncam von 1995 - eine frühe DSLR (Bildnachweis siehe unten im Text)
Die Agfa Actioncam von 1995 – eine frühe DSLR (Bildnachweis siehe unten im Text)

Wenn man darüber nachdenkt, kamen fast alle heute noch bekannten Anbieter darauf, ihre Apparate – zunächst für Profis gedacht – nach dem Spiegelreflexkonzept zu bauen, also im Grunde nur den Film hinter der Optik durch den CCD-Sensor zu ersetzen. Das lag vermutlich daran, dass es bis weit in die 2000er-Jahre hinein technisch noch nicht möglich war, das vom Sensor empfangene Bild an ein LC-Display weiterzuleiten. Oder dass niemand auf die Idee gekommen war. Die einfachen Digitalkameras funktionierten in dieser Hinsicht sowieso noch wie die altbekannte Kodak Instamatic beziehungsweise alle spiegellosen Kleinbildkameras – der Sucher war ein Loch im Gehäuse, durch das man sehen konnte, was vor der Kamera geschah.

So wurde die Coolpix 100 ans Laptop gedockt (Bildnachweise siehe unten im Text)
So wurde die Coolpix 100 ans Laptop gedockt (Bildnachweise siehe unten im Text)

Mitte der Neunzigerjahre kamen die Innovationen im neuen Markt der digitalen Fotografie aus zwei Ecken: altbekannte Kamerahersteller und Computerfirmen (insbesondere solche im Markt der Peripheriegeräte). Und an den gewählten Formen kann man die unterschiedliche Herangehensweise sehr schön ablesen. Denn Unternehmen wie Apple, Logitech oder Sony dachten nicht in Fotoapparatkategorien, sondern eher in Richtung Gadget. Die Canons, Nikons und Kodaks dieser Welt aber hielten es mehr mit den klassischen Formaten für Kleinbildkameras á la Leica oder für Spiegelreflexkameras.

Auch Apple versuchte sich im Digitalkameramarkt (Bildnachweise siehe unten im Text)
Auch Apple versuchte sich im Digitalkameramarkt (Bildnachweise siehe unten im Text)

Weil aber Canon und Nikon Ingenieure aus der Computerei einstellten, fielen auch bei diesen beiden Herstellern ungewöhnliche Maschinen an. Nikon wollte das Problem mit dem Übertragen von Fotos aus dem Speicher auf den PC dadurch umgehen, dass man die halbe Coolpix 100 in den (hoffentlich vorhandenen) PCMCIA-Slot am Laptop stecken konnte.

Die ungewöhnlich geformte Canon RC251 (Bildnachweis siehe unten im Text)
Die ungewöhnlich geformte Canon RC251 (Bildnachweis siehe unten im Text)

Mit der RC251 betrat Canon den Markt schon 1988, wobei dieser Flachmann wie die legendäre Sony Mavica eine Still-Video-Kamera war, die „Fotos“ also nur Einzelbilder aus einem Film waren. Weil die Entwicklung dieses Apparates bei den Canon-Video-Ingenieuren stattfand, ähnelt das Ding bestenfalls einer damals gerade angesagten Mini-Videocam.

Und dann kam die Kodak DC25, die erste Kamera mit einem Steckplatz für eine Flashspeicherkarte. Als der Verfasser dieses Beitrags in den Jahren 1996 bis 2000 unter anderem als Redakteur der Tageszeitung „AIDA heute“ an Bord des gleichnamigen Kreuzfahrers arbeitete, brachte er die Idee mit, das Blatt mit tagesaktuellen Fotos von den Ereignissen auf dem Schiff zu einer „richtigen“ Zeitung zu machen und schlug vor, einen digitalen Fotoapparat anzuschaffen. Das wurde bewilligt. Und so stromerte er von morgens bis nachts über die Decks, durch die Bars und Restaurants sowie den Fitness- und Spa-Bereich und begleitete Gäste auf Landausflügen.

Hier geht es zu den anderen Folgen der Serie:
(1): Vom CCD-Sensor bis zur Sony Mavica
(2): Ohne Flash kein Knips – ein Hoch auf Fujio Masuoka!
(4): Alles Software, oder was? – Dateiformate und KI

Immerhin 32 Aufnahmen passten auf die Speicherkarte, deren Inhalt jeweils auf den Bord-PC übertragen wurde, um die besten Fotos in die täglich um 18 Uhr erscheinende Ausgabe einzufügen. Nicht wenige Passagiere waren verblüfft, dass Fotos von sich ab Morgen aufgenommen abends in der Zeitung vorfanden, und der Redakteur wurde häufig auf das Thema angesprochen. Die Wirkung: Über die Zeit haben sich mindestens zehn Gäste so inspiriert eine Digitalkamera im Duty-Free-Shop eines angelaufenen Hafens gekauft.

Hinweis: Allen Digitalfotografie-Freund:innen empfehlen wir dringend die Website von Boris Jakubaschk www.digicammuseum.de, auf der wir die meisten Fotos der antiken Kameras gefunden haben; Boris Jakubaschk und seine Mitstreiter freuen sich über jede Form von Unterstützung.

[Bildnachweise – Leica I (A): Tieum512 via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 3.0 DEED; Agfa Actioncam: Boris Jakubaschk für digicammuseum.de; Apple QuickTake 150 via digicammuseum.de; Nikon Coolpix 100 via digicammuseum.de; Kodak DC25 via digitalkameramuseum.de]

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