Praxis: Warum zur Hölle will Google seine Dienste verknüpfen? Und soll ich das tun?

Seit kurzem fragt Google auf dem Smartphone oder dem PC, ob der Nutzer die verschiedenen Google-Dienste verknüpfen will oder nicht. Wer die IT-Nachrichtenlage ein wenig verfolgt, weiß vermutlich: Damit reagiert Google auf den „Digital Markets Act“ („DMA“) der EU-Kommission. Aber die Digisaurier fragen sich umso mehr: Wie soll man sich denn nun konkret entscheiden? Die eigenen Benutzerdaten verknüpfen oder die Google-Dienste lieber voneinander getrennt halten?

Die Idee hinter dem Digital Markets Act der EU: Die großen Plattformen wie Google, Apple, Meta (Facebook und Instagram) Amazon oder Microsoft sollen darin gebremst werden, den Markt für digitale Dienste allein durch ihre schiere Größe zu beherrschen. Das Gesetz bezeichnet sie auch als „Gatekeeper“, also Torwächter. Denn sie kontrollieren in großem Stil den Zugang zu und die Nutzung von Internet-Diensten. Das Ziel der DMA-Gesetzgebung: Auch innovative kleine Start-ups sollen eine Chance haben, auf diesem Markt erfolgreich zu sein. Oft ist das nicht der Fall, weil es gar nicht mehr möglich ist, den genannten Großen noch Marktanteile abzujagen. Sie sind allein durch ihre Verbreitung und die über alle ihre Nutzer gesammelten Daten massiv im Vorteil.

Erfüllung auf den letzten Drücker: Verknüpfung zwischen einzelnen Diensten ist per Vorgabe abgeschaltet

Dabei ist diese Gesetzgebung gar nicht neu: Der DMA trat bereits im November 2022 in Kraft. Sechs Monate später, im Mai 2023, startete die Anwendung seiner wesentlichen Regelungen. Doch für Umbauten an ihren Plattformen, Diensten und App-Stores erhielten die betroffenen Unternehmen abermals zusätzliche Zeit – nämlich weitere zehn Monate bis März 2024. Dass die betroffenen Anbieter die eingeräumte Frist bis praktisch auf die letzte Sekunde ausgereizt haben, ist durchaus typisch für sie: Die neuen Änderungen und Nachfragen kamen praktisch allesamt im März 2024 und keinen Monat früher.

Dennoch bleibt die Wirkung nicht aus: So bietet Apple auf seinen iPhones und iPads nun eine Möglichkeit, Standard-Apps für E-Mail, Browser etc. durch Drittanbieter-Lösungen zu ersetzen. Und auch alternative App-Stores lassen sich installieren. Bei Google führten die Vorschriften dazu, dass die Verknüpfung von Benutzerdaten zwischen einzelnen Diensten unterbrochen ist. Diese vorher verknüpften Dienste umfassen beispielsweise die Google-Suche, Google Maps, Google Shopping, den Google-Dienst YouTube und den Google-Play-Store auf Android-Smartphones.

Aus diesem Grund fragt in den letzten Wochen Google auf einmal im Browser oder auf dem Smartphone nach, ob der Anbieter die Benutzerdaten zwischen seinen Diensten weiterhin verknüpfen darf. Denn allenfalls mit Einwilligung des Nutzers ist ein solcher Datenaustausch künftig rechtens.

Typisch Google: Mehr Datenautonomie kostet Komfort

Die genannten Beispiele dürften manchem Google-Nutzer bewusst machen, was der Suchmaschinen-Gigant bisher so alles im Hintergrund miteinander verbunden hat. Wer die verschiedenen Angebote regelmäßig nutzt, der verrät Google zum Beispiel, welche Routen man regelmäßig mit welchem Verkehrsmittel zurücklegt. Und für welche Themen man sich auf YouTube interessiert. Plus welche Produkte in jüngerer Zeit gekauft wurden und nach welchen man sich aktuell umschaut. Oder welche Informationen man sonst so im Internet sucht. Klar, dass alle diese Puzzle-Stückchen für eine Werbe-Plattform (und nichts anderes ist Google letztlich) Gold wert sind. Denn mit ihrer Hilfe lassen sich den Werbetreibenden möglichst exakte Kundenprofile zur Verfügung stellen.

Die andere Seite der Medaille: Die Verbindungen der Dienste machen die Nutzung besonders komfortabel.  So zeigten die letzten Wochen, wie der Umgang mit den Google-Angeboten aussieht, wenn dies zumindest ein Stück weit eingeschränkt wird. Auf einmal braucht es einige Klicks und Eingaben mehr, um zum Beispiel die Adresse eines in der Google-Suche gefundenen Unternehmens direkt als Ziel in Google-Maps zu übernehmen. Zu Produkten, die man via Google-Shopping gesucht hat, kommen nicht mehr automatisch Vorschläge zu Video-Rezensionen auf YouTube. Eine via Google-Suche auf einem Android-Smartphone gefundene App lässt sich nicht mehr mit nur einem Klick über den Google Play Store installieren. Sicherlich ist langjährigen Google-Nutzern der Entfall solcher Komfortaspekte in jüngerer Zeit aufgefallen.

Google-Nutzer bezahlten Bequemlichkeit schon immer mit ihren Daten

Nun war es von je her das Geschäftsmodell von Google, den Anwendern komfortable Dienste zur Verfügung zu stellen. Und diese dafür nicht mit Geld, sondern mit ihren Daten bezahlen zu lassen. Von der Google-Suche bis zum Android-Betriebssystem basiert das Google-Imperium auf diesem Prinzip. Wer dies vermeiden will, müsste einen großen Bogen um das gesamte Diensteangebot der Kalifornier machen. Dies hieße beispielsweise, zur Websuche konsequent alternative Angebote wie DuckDuckGo oder Ecosia zu nutzen.

Wie sehr es einen stört, für Google ein „gläserner Nutzer“ zu sein, fällt dabei individuell recht unterschiedlich aus. Zumal die Ergebnisse der bisherigen Verknüpfungen auch die Grenzen der algorithmischen Durchleuchtung zeigen. Wer etwa ganz ohne Kaufabsicht nach dem Preis eines Produkts „gegoogelt“ hat, genoss in den Tagen danach verstärkt Werbeanzeigen zu eben jener Ware.  Wer eine Adresse gesucht hat, wurde auch schon mal auf anderen Google-Kanälen mit Informationen zu den dort angebotenen Dienstleistungen oder Produkten beglückt. Allerdings sollte jedem Anwender auch klar sein: Die Algorithmen werden immer besser, die Tricks zur Manipulation immer subtiler. Daher ist es auch keine Überraschung, dass Werbeanzeigen und Google-Funde zunehmend treffsicherer darin werden, Bedürfnisse zu wecken. Bedürfnisse, von denen einem selbst vielleicht noch gar nicht bewusst war, dass man sie haben könnte.

Eines sollte allerdings ebenso klar sein: Wer die Zustimmung verweigert, sieht deshalb in den Google-Diensten nicht weniger Werbung. Deren Inhalte sind dann einfach nur ein kleines Bisschen zufälliger.

Entscheidung nötig: Wo ordnet man das eigene Nutzungsverhalten ein?

Letzten Endes zwingt die aktive Nachfrage also jeden dazu, sich zu überlegen, wo man das eigene Nutzungsverhalten auf der Skala zwischen Datensparsamkeit und Bequemlichkeit verortet. Wer die Ziele der EU-Gesetzgebung unterstützt, sollte auf die Nachfrage zur Verknüpfung mit „Nein“ antworten.  Für wen Bedienkomfort vorgeht, der kann den vorher gewohnten Zustand mit seinem Einverständnis wieder herstellen. Diese Entscheidung muss man übrigens nicht ausgerechnet dann treffen, wenn Google danach fragt – sie lässt sich auch zurückstellen. Dann fragt die Suchmaschine nach ein paar Tagen erneut.

Es gibt darüber hinaus auch die Möglichkeit, die Zustimmung auf bestimmte Dienste zu begrenzen – etwa nur Google-Suche und Google Maps zu verknüpfen, den Rest hingegen außen vor zu lassen. Wer sich mit diesen Details befassen will, kann solche individuellen Einstellungen unter diesem Link vornehmen. Auch dies geht auf Wunsch jederzeit nachträglich.

Auswahl der zu verknüpfenden Google-Dienste
Wer möchte, kann auch individuell festlegen, welche der Google-Dienste die von ihnen erfassten Benutzerdaten teilen dürfen.

Im Übrigen ist es aber auch keineswegs so, dass die EU-Gesetzgebung die von Google jetzt vorgenommene Umsetzung exakt so vorgeschrieben hätte. Tatsächlich hört man, dass EU-Kommission und -Parlament mit den Maßnahmen, die von den adressierten „Gatekeepern“ nun vorgenommen wurden, noch keineswegs zufrieden seien. Ermittlungsverfahren gegen Google-Mutter Alphabet, Apple und Meta wurden bereits eingeleitet. Unter Umständen führen sie zu Klagen auf Bußgelder in Millionenhöhe und in der Konsequenz zu weitergehenden Änderungen.

Das letzte Wort zur Umsetzung des „Digital Markets Act“ dürfte also ziemlich sicher noch nicht gesprochen sein. Und damit wird wohl auch so manche Änderung im Benutzererlebnis der betroffenen Angebote noch vor uns stehen.

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