Last Updated on 25.06.2020 by Redaktion Digisaurier
“Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen”, heißt es in einem Zitat, das wir schon vor anderthalb Jahren brachten als es um Googles inzwischen fast vergessene Datenbrille (siehe Titelbild) ging. Und weil Vorhersagen so schwierig sind, wollen wir in dieser Vorschau eben nicht prognostizieren, was im Jahr 2030 in einem Rückblick auf die Zwanzigerjahre stehen würde, sondern einfach ein paar offensichtliche Trends weiterstricken. Beginnen wir mit dem schnöden Mammon.
1. Geld ist auch bloß ein Datenstrom
Was das für die nächsten zehn Jahre bedeutet? Rein digitales Bezahlen ohne Bargeld, aber auch ohne Plastikkarten, allein abgesichert durch die immer besser werdenden Authentifizierungsverfahren wird sich final durchsetzen – sowohl im Online-Handel, als auch am Point-of-Sale.
2. Das lineare Fernsehen ist mausetot
Den privaten TV-Sendern wird nichts anderes übrigbleiben, als selbst als kostenpflichtige Streaming- und Mediathek-Anbieter aufzutreten, weil die Konsumenten nicht bereit sind, sich beim nicht-linearen Glotzen von Reklame belästigen zu lassen. Gebührenfinanziert werden die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Anstalten dagegen kostenlos bleiben. Der gute, alte Fernseher wird endgültig zum Bildschirm für verschiedene Videoquellen degradiert – eingebauter Tuner überflüssig.
3. Die Algorithmen haben die Weltherrschaft übernommen
Konkret hat dieser Trend eine gute und mehrere schlechte Seiten. Positiv ist, dass bei der Steuerung komplexer Systeme in Technik, Industrie, Landwirtschaft und Handel umso weniger Fehler passieren, je mehr Algorithmen das Sagen haben – menschliches Versagen wird minimiert und letztlich eliminiert. Weniger schön wird sein, dass die Möglichkeiten, intelligente Systeme zu modifizieren oder gar zu stoppen, abnehmen werden. Und weil die KI-Systeme so schlau und uns Menschen so überlegen sind, werden sie schon in zehn Jahren für eine bedeutende Einschränkung individueller Freiheiten sorgen.
4. Alles ist digital
In zehn Jahren wird es schlicht keinen Bereich menschlicher Aktivitäten geben, der nicht von einer digitalen Wolke umgeben ist. Hat man vor zehn Jahren noch gedacht, dies würde heißen, das überall irgendwelche smarten Chips drinstecken, bedeutet es in Zukunft, dass es schlicht von jedem Ding und von jedem Prozess ein digitales Abbild gibt, das mit seinem physischen, analogen und realen Gegenstück verbunden ist. Was das konkret bedeutet? Wir wissen es nicht…
5. Der Mensch ist aus Glas
Wer entscheidet?
Dystopiker sind der Ansicht, dass über es nicht mehr Menschen sind, die über die zukünftige digitale Welt entscheiden, sondern die Systeme. Verschwörungstheoretiker sehen wahlweise reptiloide Shapeshifter, Illuminaten oder andere Geheimlogen an den Entscheidungshebeln. Wer kapitalismuskritisch denkt, wird annehmen, dass die Reichen und Mächtigen sagen wie’s weitergeht. Realisten aber erkennen, dass der Einfluss der Individuen auf zukünftige Entwicklungen noch ganz lebendig ist.
Bei den angedeuteten Szenarien gibt es allerdings kaum noch Umsteuermöglichkeiten – höchstens beim Thema Geld, weil hier die Grundsatzentscheidungen immer noch von politischen Instanzen getroffen werden, während Unternehmen für die Umsetzung in die Realität zuständig sind. Beim Fernsehen hat der Konsument längst entschieden, die Entwicklung ist unumkehrbar. Was die Übermacht der KI per Algorithmen angeht, sind politische Eingriffe NOCH möglich und vorstellbar. Darüber, wie weit die Digitalisierung gehen soll und wird, kann nur spekuliert, aber nicht mehr wirkmächtig entschieden werden. Und die Frage nach dem durchsichtigen Menschen geht eng zusammen mit der Frage der Zukunft der Demokratie und der individuellen Freiheit; politische Systeme wie das in der Volksrepublik China (aber auch in anderen autokratischen Staaten) tun bereits jetzt alles dafür, durch allumfassende Überwachung und Durchleuchtung vollkommene Kontrolle über ihre Bürger zu bekommen, weil sie die demokratische Kontrolle und damit eben auch die Freiheit ablehnen. In Staaten, die noch demokratisch funktionieren, haben es die Bürger als Wähler und Konsumenten in der Hand, die Entwicklung zu beeinflussen und zu bestimmen.
[Bildnachweis – Titelbild: Tim.Reckmann via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0]