Shigetaka Kurita, der Emoji-Erfinder

Internet-Helden (5): Shigetaka Kurita, der Emoji-Erfinder

Kürzlich fragte mich ein internet-abstinenter Freund (er besitzt nicht einmal ein Smartphone), was denn der Unterschied zwischen Smilies und Emojis sei. Ich konnte ihm nach einer kurzen Recherche die passende Antwort geben, und die lautet: Smilies sind auch Emojis, aber deutlich älter als diese. Letztere habe nämlich ein japanischer Designer erfunden, das wisse man, seitdem ein gewisser Shigetaka Kurita auf eine Welttournee gegangen sei. Denn da hätten dann alle möglichen und unmöglichen Medien ihn als Erfinder der Emojis präsentiert. Stellt sich die weitere Frage, ob das so stimmt.

Der - noch nasenlose - Ur-Smiley
Der – noch nasenlose – Ur-Smiley
Sicher ist, dass der Smiley viel älter ist als das Emoji. So wie wir ihn den grundlegenden Smiley heute kennen, wurde er Ende der Achtzigerjahre zum Symbol der Acid-House-Bewegung und fand sich auf T-Shirts und Buttons. Aber Bildchen, die aus druckbaren Zeichen zusammengesetzt sind, gibt es schon viel, viel länger. Und dass Menschen handgeschriebene Briefe mit gezeichneten Herzchen oder lächelnden Gesichtern verziert haben, lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein postulierte gar, dass man in schriftlichen Äußerungen Gefühlsregungen mit Symbolen wesentlich besser transportieren könne.

Eine zweite Wurzel der Emojis findet sich in der Frühzeit der Online-Kommunikation, in der die Textmengen begrenzt und die Datenübertragung langsam war. Anstatt eine gelesene Botschaft mit gebundenen Sätzen zu beantworten, griffen die Nerds zu Akronymen, die bald standardisiert waren. Fast jeder kennt <lol> als Abkürzung für „laughing out loud“ oder für „rolling on the floor laughing“. Im Zeitalter der Blogs kamen dann Kürzel wie „tl;dr“ auf – „too long, didn’t read“.

Der legendäre Roflcopter
Der legendäre Roflcopter
Aber auch aus über die Tastatur einzugebende Zeichen wurden – teils unter Einsatz enormer Kreativität – bereits zu Bildchen zusammengesetzt. Darunter eben auch der nicht-grafische Smiley: „:-)“. Grundlage für das allgemeingültige Verständnis ist übrigens die Verhaltensforschung, nach der jeder Mensch aus jedem Kulturkreis aus der Stellung von Mundwinkeln und Augenbrauen ablesen kann, was im Gegenüber gerade vorgeht. Je komplexer diese Zeichen wurden, desto mehr Gefühle konnte man mit ihnen transportieren, und irgendwann in den Neunzigern kam der Begriff „Emoticon“ für diese Dinger auf.

Der Ur-Macintosh und seine Icons
Der Ur-Macintosh und seine Icons
Schließlich bilden die Icons der grafischen Benutzeroberflächen, die seinerzeit für den Apple Macintosh entwickelt wurden, die Basis für eine heute (fast) allgemeingültige Symbolsprache. Zunächst waren die winzigen Grafiken dazu gedacht, dem User zu zeigen, was passieren würde, wenn er einen entsprechend gekennzeichneten Button anklickt. Viele der damals entworfenen Icons – zum Beispiel zum Verkleinern, Vergrößern und Schließen von Bildschirmfenstern sind heute weltweit genormt und werden auf Anhieb von fast allen Menschen verstanden. Auch die Zeichen auf den Tasten von Walkmännern und später MP3-Playern zählen zu den Icons, die jeder versteht.

Die 176 Ur-Emojis, wie sie Teil der MoMa-Sammlung wurden
Die 176 Ur-Emojis, wie sie Teil der MoMa-Sammlung wurden
Und jetzt kommt der gute Kurita-san ins Spiel. Der wirkte Anfang der Nullerjahre beim japanischen Telekom-Riesen NTT DoCoMo, der das grafik-orientierte, quietschbunte Mobilphone-System namens i-Mode an den Start gebracht hatte. Zuständig war der fröhliche Kerl für die Benutzeroberfläche, für die er einen Satz aus 176 Symbolen für alle möglichen und unmöglichen Dinge entwarf – die allerersten Emojis. So nannte man diese Piktogramme nämlich auf Japanisch. Womit auch ein häufig anzutreffendes Missverständnis geklärt werden kann: Auch wenn in den Begriffen „Emoji“ (絵文字) und „Emoticon“ die Vorsilbe „Emo“ enthalten ist, die ja auf das Wort „Emotion“ hinweist, hat das japanische Wort mit Gefühlen nichts zu tun, sondern heißt übersetzt einfach „Bildschriftzeichen“.

Das umstrittene Kackhaufen-Emoji
Das umstrittene Kackhaufen-Emoji
Weil die Ur-Emojis von Shigetaka Kurita lediglich aus 12×12 Bildpunkten bestanden und jeweils einfarbig waren, ließen sie sich patentrechtlich nicht schützen, weil die nötige „Schöpfungshöhe“ nicht gegeben war. Damit war aber der Weg frei für die grandiose Karriere dieser Piktogramme, die heutzutage in allen sozialen Medien gang und gäbe sind. Wer welches Emoji wann entworfen hat, lässt sich kaum noch nachvollziehen; besonders Apple liefert Jahr für Jahr neue Paletten voller Bildzeichen – darunter auch den Kackhaufen mit den großen Augen, der bei seiner Präsentation durchaus gemischte Reaktionen auslöste. Immer beliebter wird es, Emojis zu verwenden, und immer mehr werden es. Inzwischen gibt es so viele verschiedene Bildzeichen dieser Art, dass es mit der Emojipedia eine eigene Suchmaschine dafür gibt.

Winzige Auswahl an Emojis in WhatsApp
Winzige Auswahl an Emojis in WhatsApp
Kurita zeichnete übrigens auch für die zweite und dritte Generation i-Mode-Emojis verantwortlich, die dann bereits wesentlich feiner aufgelöst und bunt daherkamen. Viele davon sind in den globalen Emoji-Wortschatz eingegangen, viele aber auch verlorengegangen; i-Mode erfreute sich nämlich nur in Japan und nur bis etwa 2006 einer nennenswerten Beliebtheit und musste den Smartphone-Systemen iOS und Android weichen. Dem ursprüngliche Satz Emojis des lieben Shigetaka wurde vor einiger Zeit eine große Ehre zuteil: Man nahm die Tafel mit den 176 Piktogrammen in die Sammlung des Museum of Modern Art (MoMa) in New York auf.

Lösen wir zum Schluss die Eingangsfrage auf. Smilies sind Emoticons, die Gesichtsausdrücke wiedergeben, und werden heute – sofern als farbige Grafiken vorhanden – zu den Emojis gezählt.

Und hier eine Szene aus dem wunderbaren Film „Forrest Gump“, in der gezeigt wird, wie der Ur-Smiley wirklich erfunden wurde.

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