Da hat uns dieser Tim Berners-Lee ja schön was eingebrockt: Mit seiner Erfindung des weltweiten Webs hat er die gesamte Programmiererei auf den Kopf gestellt. Denn plötzlich musste man HTML lernen, um Webseiten bauen zu können. Und man musste absolut firm mit dem Client-Server-Prinzip sein. Das hatten wir Computer-Freaks der Achtzigerjahre doch ganz anders gelernt. Wir schrieben einen Programmcode und warfen ihm dem passenden, lokalen Interpreter vor und – schwupps – lief das Ding (oder auch nicht). Die Fortgeschrittenen schmissen ihre Listings dagegen in einen Compiler, der aus dem Code ein ausführbares Programm machte (oder auch nicht). In Sachen WWW hatte man nun weder einen Interpreter, noch einen Compiler auf dem heimischen Computer am Start, sondern musste den Erguss irgendwie übers Internet an einen Server schicken.
Dort wurde dann die gewünschte HTML-Seite gebastelt und über die gewünschte URL der interessierten Welt zur Verfügung gestellt. Ganz so neu war das Prinzip dann doch nicht, und vor allem für Datenbank-Programmierer war das ein alter Hut. Aber das kuschelige lokale Programmieren war nicht das Einzige, was hinten rüber fiel. Denn auch das geliebte prozedurale Programmieren war auf einmal nicht mehr angesagt – die objektorientierte Programmierung übernahm die Macht. Damit wir uns nicht missverstehen: So sah die Code-Revolution der Neunzigerjahre lediglich aus Sicht von uns Hobbyprogrammierern aus, die wir so stolz auf unsere BASIC- oder gar Pascal-Progrämmchen waren. In der Welt der richtigen IT fanden diese Paradigmenwechseln gut und gern fünfzehn, zwanzig Jahre früher statt.
Aber es gab Internethelden, die sich dem widersetzten. Rasmus Lerdorf war so einer. Er schenkte uns PHP und stieß damit die Tür zur Internetprogrammierung für den Rest von uns auf. Aber schauen wir uns die Sache von Anfang an an:
1987: Larry Wall bastelt sich Perl zurecht
Larry Wall war bei Unisys angestellt und sollte diverse Tools für den Geheimdienst entwickeln, mit denen die gesammelten Daten ausgewertet werden konnten. Und weil ihm die zur Verfügung stehenden Tools und Sprachen viel zu komplex und umständlich waren, bastelte er sich aus einem Haufen Sprachkonstrukte eben Perl zusammen. Der große Vorteil von Perl war und ist, dass es sich um eine lizenzfreie Sprache handelt, die per Interpreter auf jeglicher Hardware und jeglichem Betriebssystem läuft. Zudem ist Perl nahezu beliebig durch Elemente aus anderen Sprachen erweiterbar. Der Nachteil besteht logischerweise darin, dass das Perl-Code schwer zu dokumentieren ist. Die Kernkompetenz von Perl besteht aber darin, Daten aus den verschiedensten Quellen in einem Rutsch verarbeiten zu können. Deshalb wurden und werden viele Web-Anwendungen – u.a. in den Bereichen Finanzen und eben Nachrichten – in Perl geschrieben.
1991: Guido van Rossum gibt Python frei
Mit der Verbreitung des Internets und der Ankunft des WWW wuchs rasch eine treue, engagierte Python-Gemeinde, die van Rossum den Ehrentitel „wohlwollender Diktator auf Lebenszeit“ verlieh. Zwischen den Python-Fans und den PHP-Jüngern tobt seit vielen Jahren eine Art Glaubenskrieg, und es hießt, Python-Programmierer würden niemals PHP anfassen. Apropos PHP: Über diese Sprachen haben wir im Artikel über Rasmus Lerdorf alles Wesentliche geschrieben.
1992: Das CERN veröffentlicht die Auszeichnungssprache HTML
HTML sollte nun dafür sorgen, dass ein Dokument auf jeder Hard- und Software mit einem entsprechenden Interpreter identisch erscheinen würde. Das Prinzip ist simpel: Ein Wort wird nicht einfach fett gedruckt, sondern mit einem Tag versehen, der allen HTML-Empfänger sagt: Hey, gib dieses Wort fett aus! Man kennt das aus dem Druckgewerbe, besonders aus dem Fotosatz, wo Form und Inhalt voneinander getrennt verarbeitet werden – man sagt: Ein Stück Text wird ausgezeichnet, also mit der Anweisung versehen, es solle in dieser oder jener Schriftart und -größe fett, kursiv oder sonstwie ausgegeben werden.
Der Clou an HTML versteckt sich hinter dem H, das für „Hypertext“ steht. Schon Ende der Sechzigerjahre hatten Ted Nelson und Kollegen das Prinzip formuliert und schon in die Praxis umgesetzt, nach der in einem Text Verweise auf entfernte Elemente eingesetzt werden, die beim Auswerten des Textes aufgerufen werden können – so wie man früher anhand einer Nummer eine Fußnote am Ende der Seite oder des Buches nachgeschlagen hat. Hatte man beide Prinzipien – also das einer Seitenbeschreibungssprache und das der Hyperlinks – einmal inhaliert, war HTML ziemlich leicht zu erlernen und zu beherrschen.
1995: Die Java-Technologie verändert alles
Nein, Java mag eine Programmiersprache sein, aber einfach mal auf dieselbe Weise abhandeln wie Perl, PHP und Python lässt sie sich nicht. Denn es handelt sich um eine Technologie, die das Programmieren im Internet völlig auf den Kopf gestellt hat. Selbst das späte Kind dieser Technologie, JavaScript, lässt sich ohne einen Ausflug in die Java-Technologie nicht so einfach erklären. Deshalb werden wir diesem Komplex eine eigene Folge widmen, versprochen…
[Bildnachweis – Larry Wall: Sergiy Ostrovsky via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0; Guido van Rossum: Daniel Stroud via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0]