Vorbildliche Solaranlage (Foto: Wikimedia)

Was zur Hölle … hat Ökostrom mit der Blockchain zu tun?

Mit der Blockchain-Technologie ist es ein bisschen so wie in den frühen Achtzigerjahren mit dem Thema Personal Computer: Viele Kollegen schreiben drüber, ohne es verstanden zu haben. Diejenigen, die Ahnung haben, schreiben so darüber, dass die, die keine Ahnung haben, es nicht verstehen. Und das Image in der Öffentlichkeit leidet natürlich schon sehr unter der mangelnden Seriosität der Kryptowährungen. Denn mit Bitcoin, Ethereum & Co. verbindet Otto Normaluser diese Technologie so sehr, dass kaum Raum für etwas anderes bleibt. Das könnte sich bald ändern:

Blockchain-Prinzip (Abb.: g2crowd)
Blockchain-Prinzip (Abb.: g2crowd)
Der Gründer des erfolgreichen Ökostrom-Anbieters Lichtblick, Heiko von Tschischwitz, will nämlich eine Art Crowd-Stroming anbieten, dessen Verträge nach Blockchain-Prinzipien abgewickelt werden. Erinnern wir uns: Blockchain heißt, dass Transaktionsdaten in Blöcken definierter Struktur und Größe, die fortlaufend miteinander verkettet sind, dezentral und verschlüsselt abgelegt werden. Jeder, der an einer Blockchain „teilnimmt“, kann sicher sein, dass Inhalt und Zustand eines jeden Blockes genauso sind, wie sie bei der Erstellung waren. Die Blöcke sind fälschungssicher. Und das heißt vor allem, dass man sich auf die Dinger verlassen kann.

So verrufen die Kryptowährungen sind, belegen sie doch eindrucksvoll, dass dieses Prinzip funktionieren kann. Wenn, ja, wenn die Blockketten dezentral gespeichert werden. In dem Moment wo – und das ist bei Bitcoin ja passiert – Teile zentralisiert werden, können sie gehackt, ihr Inhalt also gefälscht werden. Weil Dezentralität ein so fundamentaler Faktor der Blockchain-Technologie ist, eignen sich die Verfahren vor allem für wirtschaftliche Projekte mit sehr, sehr vielen gleichberechtigten Mitgliedern.

Das Prinzip der Parzellen bei Eyway
Das Prinzip der Parzellen bei Eyway
Und genau das hat Heiko von Tschischwitz im Sinn. Er will große Solarfreiflächenanlagen bauen, parzellieren und die Parzellen verpachten. Der Pächter einer Parzelle ernten dort Strom, und eine Blockchain sorgt dafür, dass dieser Pächter genau die geerntete Menge Strom an seinen Steckdosen zur Verfügung hat. Die Blöcke der Kette bilden quasi die Parzellen ab und enthalten alle relevanten Daten über die Menge und die Art der Verteilung über die Netze. Enyway, so der Name des Unternehmens, das seine Arbeit gerade aufgenommen hat, wird daran so gut wie nichts verdienen – zu den rund 3 Euro monatlicher Grundgebühr kommt eine sehr geringe, mengenabhängige Provision.

Beides dient nur dazu, den Bau der Flächen zu refinanzieren und die digitale Logistik am Laufen zu halten. Weil eine Parzelle nicht annähernd den Bedarf eines Haushalts decken kann, liefert Enyway seinen Kunden den darüber hinaus benötigten Strom – durchweg aus erneuerbaren Quellen – exakt zu dem Preis, zu dem das Unternehmen ihn einkauft.

Heiko von Tschischwitz, der Pionier (Foto: LichtBlickBlog)
Heiko von Tschischwitz, der Pionier (Foto: LichtBlickBlog)
Das alles hört sich zunächst interessant, aber nicht sonderlich plausibel an. Denn natürlich fragt man sich: Woher kommt der Profit? Da handelt Heiko von Tschischwitz ganz im Sinne der Theorie vom Plattform-Kapitalismus (übrigens so wie die Inhaber von Airbnb, Uber und diversen Carsharing-Anbietern). Die Theorie besagt, dass sich der Kapitalismus im Zeitalter der galoppierenden Digitalisierung dahingehend verändern wird (bzw. schon verändert hat), dass die Verfügungsgewalt über digitale Plattformen der Verfügungsgewalt über Kapital in den „alten Zeiten“ entspricht. Nicht mehr die Rendite auf eingesetztes Kapital wird Unternehmerlohn, sondern der Zugriff auf Transaktionskosten auf den Plattformen.

Weil die Kosten zur Einrichtung und zum Betrieb digitaler Plattformen sich sehr schnell amortisieren, ergeben sich aus den eingestrichenen Anteilen an dem, was Kunden für Transaktionen zu zahlen haben, schnell enorme Profite. Zumal man – siehe Uber – die Kosten durch Verzicht auf eigenes Personal und nicht-digitale Infrastruktur drastisch minimieren kann.

Bei Enyway will man anscheinend den Schuh umdrehen und dafür sorgen, dass vor allem Konsumenten davon profitieren und – weil sie das tun – nach und nach nur noch Ökostrom werden haben wollen. Die von (fast) allen herbeigesehnte Energiewende – Ende des Stroms aus fossilen und nuklearen Trägern inklusive – könnte so durch die Kraft der neuen digitalen Marktwirtschaft mit hoher Geschwindigkeit herbeigeführt werden.

[Fotos: Titelbild – Eclipse.sx via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0; Blockchain-Prinzip – g2crowd.com; Heiko von Tschischwitz – LichtBlickBlog]

Ein Gedanke zu „Was zur Hölle … hat Ökostrom mit der Blockchain zu tun?“

  1. > dezentral und verschlüsselt abgelegt werden

    Nichts an der Blockchain ist verschlüsselt, es sei denn, wir sprechen über Zcash. Verschlüsselung ist nur ein Teilgebiet der Kryptographie. Bei einer Blockchain kommen nur Hashing und digitale Signaturen zum Einsatz.

    Der ganze Artikel ist zudem ein Beispiel für das typische Missverständnis, worum’s bei der ganzen Sache eigentlich geht, und was Satoshi 2008 eigentlich erfunden hat. Blockchain dient hier lediglich als Buzzword, damit ein Startup Aufmerksamkeit generiert, genauso sinnfrei wie diese Eistee-Firma, deren Kurs gestiegen ist, nachdem sie „Blockchain“ an ihren Namen angehängt hat.

    Bei Bitcoin gab’s jahrelang eine Debatte um die Skalierung und die Blockgröße. Wer den Hintergrund dieser Diskussion versteht, der wird dann mit der Zeit auch die nötigen Bullshit-Detektoren entwickeln und verstehen, dass „Blockchain“ kein magisches Pulver ist, welches Datenbanken sicher, unveränderbar und effizient macht.

    Die Mechanismen wollen wohl parametrisiert sein, und vor allem eignet sich „die Blockchain“ nicht dafür, beliebige Daten (außer den Transaktionen selbst) zu speichern, da es keinerlei Anreiz für Knoten gibt, diese für ewig zu speichern und zu propagieren. Dass eine Blockchain solche Daten also „unlöschbar“ macht ist ein weiterer Mythos.

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