5 Kriterien, die ein Digisaurier erfüllen muss

Vor ziemlich ungefähr 20 Jahren fiel unserem Herausgeber der Begriff „Digisaurier“ ein. Während der IFA unter dem Funkturm von Berlin belauschte er Gespräche von Leuten, die schon sehr, sehr lange digital unterwegs waren. Weitere zehn Jahre später dachte Christian Spanik, dies wäre doch der passende Name für ein Blog, das sich mit dem Damals und dem Hier & Jetzt der Digitalisierung befasst – www.digisaurier.de wurde geboren. Was genau aber einen Digisaurier ausmacht, hat Christian nie definiert. Das wollen wir nachholen.

Denn natürlich ist er nicht der einzige Digisaurier. Menschen, die sich anfangs der Achtzigerjahre die Nasen an Schaufenstern plattdrückten, um sich den Commodore VC20 anzusehen, Jungs, die wenig später die Computerabteilungen der Kaufhäuser unsicher machten, die ersten Hacker und diejenigen, die über Btx und Compuserve den Weg ins Internet fanden – sie alle sind doch auch allesamt Digisaurier und treue Leser:innen dieses wunderbaren Blogs. Fragt sich nur, woran man einen Digisaurier erkennt. Hier die sieben wichtigsten Zeichen.

1. Komma Acht Komma Eins

Wem bei der lustigen Wortfolge „Komma Acht Komma Eins“ sofort der Commodore 64 einfällt, darf sich mit Fug und Recht Digisaurier nennen. Dabei handelt es sich um den wohl legendärsten aller Homecomputer, die sogenannte „Brotkiste“. Bei der lief alles unter BASIC. Beziehungsweise: Das Betriebssystem war BASIC. Um ein Programm zu laden und zu starten, kam der Befehl LOAD zum Einsatz, der den gewünschten Code von einem Datenträger in den Speicher holte. Das waren anfangs Compactkasseten, die in ein Laufwerk namens Datasette geschoben wurde, später dann 5,25-Zoll-Disketten, die man liebevoll „Floppies“ nannte.

Die gute, alte Datasette für den Commodore 64
Die gute, alte Datasette für den Commodore 64

Die Gemeinde der C64-Lover wuchs rasant und teilte sich rasch in zwei Gruppen: Die Nutzer und die Programmierer. Während die einen vor allem an Spielen interessiert waren oder zu einem sehr kleinen Teil an richtig, echten Computeranwendung, wollten die anderen die Kiste softwaretechnisch ausreizen bis zum Gehtnichtmehr. Diese Sorte kannte die Peeks und Pokes und konnte sich fließend in Maschinensprache unterhalten.

Wenn du also weißt, was mit „LOAD *,8,1“ gemeint ist, darfst du dich Digisaurier nennen.

2. TRS-80, TO 8, TI-99/4, ZX80, PET 2001, MSX

In vieler Hinsicht ähnelt die Historie der Homecomputer der Geschichte des Automobils. Und so wie es Liebhaber von fahrenden Oldtimern gibt, so finden wir nicht wenige Digisaurier, die Namen und Daten längst vergessener Rechner herunterbeten können. Okay, den Commodore PET 2001, den Sinclair ZX80 und den Tandy TRS-80 werden viele Menschen, die sich damals für die neue Technologie interessierten, noch kennen. Aber wer weiß denn noch, dass der Taschenrechnergigant Texas Instruments mitmischen wollte? Und bei der Erwähnung des MSX-Standards wird’s bei vielen schon dunkel.

Der legendäre Tandy TRS-80 (Foto via Wikimedia; siehe Bildnachweis unten)
Der legendäre Tandy TRS-80 (Foto via Wikimedia; siehe Bildnachweis unten)

Es waren aber auch wilde Jahre von etwa 1983 bis 1987, in denen der Markt der Homecomputer dermaßen boomte, dass viele Unternehmen auf den Zug aufspringen wollten. Vor allem solche, die im Markt der Unterhaltungselektronik erfolgreich waren, also Firmen wie Sony, Sanyo, Philips, Casio und Yamaha. Denen hatte man bei Microsoft ein auf BASIC basierendes Betriebssystem gebastelt, das – so sagen Experten – in mancher Hinsicht besser war als das, was Commodore seinen Nutzern zumutete. Tatsächlich waren MSX-Kisten außerhalb der jeweiligen lokalen Märkte nicht besonders erfolgreich.

Wenn du also weißt, dass Sony eine Reihe von Homecomputern unter der Serienbezeichnung „Hit Bit“ im Angebot hatte, darfst du dich Digisaurier nennen.

3. Ein IBM PC für 22.000 Mark

So um 1982, 1983 herum fanden ein paar Computerfreaks, dass es an der Zeit sei, auf „richtige“ Computer umzusteigen und folgten dem MS-DOS-Versprechen des Großrechnergiganten IBM. Während man für eine halbwegs vernünftige C64-Ausrüstung oder später für einen Atari ST oder Amiga plus Peripherie mit weniger als 3000, 4000 Mark auskam, musste man für einen IBM PC mit Festplattenlaufwerk, Grünschwarzmonitor und vernünftigem Nadeldrucker gut und gerne 22.000 Mark hinblättern – IBM nahm es halt von den Lebenden.

Der Mac II - eine stattliche-schöne Erscheinung (Foto: Apple)
Der Mac II – eine stattliche-schöne Erscheinung (Foto: Apple)

Es war ja schon immer ein bisschen teurer, ein Early Adaptor zu sein. Das galt auch für die Apple-Fans, die sich einen Wolf freuten, als es den Mac endlich in Farbe gab. Der Verfasser dieses Beitrags erwarb 1991 beim damaligen Düsseldorfer Apple-Spezialisten Kleinofen einen Mac II mit allem Pipapo und wurde dadurch ebenfalls um 22.000 Mark ärmer … war aber furchtbar stolz auf seinen Superrechner.

Wenn du also auch schon mal viel zu viel für einen Computer ausgegeben hast, darfst du dich Digisaurier nennen.

4. Btx, BBS und 100345,678

Anfangs war DFÜ illegal. Da herrschte noch die Deutsche Bundespost über die Telefonnetze; Akustikkoppler galten als gefährlich, Modems waren verboten – der Gilb regierte und verfolgte alle, die einfach mal Daten übers Netz austauschen wollten, mit Schwert und Schwefel. Dabei hatte sich die Post doch mit dem „BNildschirmtext“ (kurz: Btx) als Vorreiter der Onlinedienste geriert. Mit einem speziellen (für teuer Geld zu mietenden) Telefon konnte man mit Gleichgesonnenen nun Textnachrichten austauschen.

Der „CompuServe Information Manager“ für Windows, kurz WinCIM. (C) CC BY-SA 3.0, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=15688724

Währenddessen in anderen Ländern längst Bulletin Boards (BBS), Mailboxen und User-Netze glühten, weil die frühen Digitalisten dort Daten austauschten wie die Blöden. Da gab’s schon alles, was es auch heute noch online gibt: Games, Dating-Plattformen und natürlich Porno. Die Seriösen unter uns nutzten derlei Systeme dagegen für das Versenden von Textnachrichten. Mit Compuserve zog das Business in die wilde DFÜ-Welt ein. Über kryptische Kennzahlen, die man sich gern auf die Visitenkarte drucken ließ, war man nun weltweit digital zu erreichen.

Wenn du Btx-User warst und/oder noch heute deine Compuserve-Kennung kennst, dann darfst du dich Digisaurier nennen.

5. ELIZA, F&A und Wolfram Alpha

Plötzlich und unerwartet stürzen sich die Medien auf das, was sie für „Künstliche Intelligenz“ (kurz: KI oder englisch AI) halten und nicht mal ansatzweise verstehen. Angesichts des Hypes um ChatGPT müssen sich Digisaurier ein müdes Lächeln abringen, denn speziell der Aspekt „natürliche Sprache“ ist für sie ein sehr alter Hut. Und neuronale Netze konnte man schon Ende der Achtzigerjahre mit Freeware-Tools entstehen lassen.

So sah die Ur-ELIZA aus (Svreenshot via Wikimedia)
So sah die Ur-ELIZA aus (Svreenshot via Wikimedia)

Noch ältere Digisaurier, also diejenigen, die gerade erst aus dem Meer der Elektronenhirne ans Land der persönlichen Computer gekrochen waren, hatten sich schon vor 1970 von Joseph Weizenbaums ELIZA therapieren lassen. Mitte der Achtziger konnte man mit dem Datenbankprogramm F&A (= „Frage & Antwort“; englisch Q&A) bereits komplexe Datenbankbestände mit Fragen in natürlicher Sprache auswerten lassen. Warum dagegen aus der Suchmaschine Wolfram Alpha, die immer schon so befragt werden konnte wie ein:e menschliche:r Schalterbeamte:r, nie wirklich was wurde, versteht die genannte Zielgruppe nicht.

Wenn du vor 1980 schon mal mit ELIZA geplaudert und/oder F&A-Datenbanken befragt oder gar schon seit 2010 gelegentlich Wolfram Alpha als Suchmaschine nutzt, darfst du dich Digisaurier nennen.

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