Das Unternehmen Atari kam aus der Welt der Videospiele und starb in dieser Welt. Was immer Jack Tramiel und seine Untergebenen bewegt haben mag, praktisch die kompletten Finanzreserven in die Entwicklung einer mit einem Motorola 68000er angetriebenen Spielkonsole zu stecken, ist ein bis heute ungelöstes Rätsel. Denn zu allem Überfluss entwickelte man selbst (mit Hilfe von externen Spezialisten) einen 64-Bit-Grafik- und einen 32-Bit-Soundchip. Der Jaguar kam 1993 auf den Markt und wurde ein Flop: Irgendwas zwischen 150.000 und 250.000 Stück wurden in den knapp drei Jahren seiner Existenz abgesetzt. Und als der Jaguar 2 als Konkurrent zu Sony Playstation, Sega Saturn und Nintendo 64 entwickelt wurde, war der Markt zwischen Sony und Nintendo praktisch schon aufgeteilt. Weil Tramiels Laden de facto pleite war, musste er der Übernahme durch JTS zustimmen, mit dessen Gründer Jugi Tandon keine wirkliche Freundschaft verband.
Alle weiteren Entwicklungen wurden umgehend gestoppt. Dass Atari den Bach runterging, zeichnete sich schon 1992 ab. Da wickelte man die Deutschlandvertretung bis auf ein paar Nasen ab. Kurze Zeit später zog Tramiel auch seine Leute in anderen europäischen Ländern ab und stoppte den Vertrieb nach Osteuropa. Aus heutiger Sicht war die Entscheidung für das Projekt Jaguar die schlimmste Fehlentscheidung, die Jack Tramiel in seinem ganzen langen Unternehmerleben getroffen hat. Man darf dabei nicht vergessen, dass der gute Jack damals schon deutlich älter als 60 Jahre war, während seine Ingenieure oft sogar jünger als seine Söhne waren, aus einer anderen Zeit stammten und ein ganz anderes Tempo anschlugen.
Und: Was Fehlentscheidungen rund um Spielkonsolen angeht, war Tramiel auch nicht allein. Wer erinnert sich noch an den/die Apple Pippin? Genau: Diese 1996 auf den Markt gebrachte Konsole dürfte der allergrößte Flop des Unternehmens sein und war einer der Auslöser für die Revolution, die Steve Jobs zurück nach Cupertino brachte.
Was weder Tramiel noch seine Entwickler offensichtlich nicht verstanden hatten, war, dass nicht Super-Duper-Chips den Erfolg einer Konsole begründen, sondern schlicht und einfach das Angebot an Spielen, dessen Umfang wiederum davon abhängt, wie einfach diese sich entwickeln und vermarkten lassen. Da hatten um 1992 herum eben Sega und Nintendo die Nase weit, weit vorn. Aber wie auch rund um den ST: Die weltweite Atari-Gemeinde ist treu wie Gold, und so gibt es bis heute eine lebendige Jaguar-Fanszene, die dafür sorgt, dass selbst fast 30 Jahre nach dem Ende immer wieder neue Spiele herauskommen.
Jugi Tandon Storage, das durch juristische und steuerliche Tricksereien aus der Tandon Corp. entstanden war, ging es zu der Zeit auch nicht sonderlich gut. Einige Experten und Analysten sind der Ansicht, dass Tandon nur deshalb ein Übernahmeangebot machte, weil er glaubte, Atari verfüge über finanzielle Reserven, die man dann für die Sanierung von JTS verwenden könnte. Dem war nicht so. Um wenigstens ein bisschen was von dieser Null-Dollar-Fusion zu haben, wurden die Kosten reduziert und zu diesem Zwecke sämtliche Atari-Entwickler rausgeworfen. Anschließend verhökerte JTS nach und nach die Reste vom Schützenfest und schließlich auch die Markenrechte. Denn das Wertvollste am Restladen war der Name ATARI.
Der ging schließlich an den Spielzeuggiganten Hasbro, der existierende Spiele (Ja, selbst das olle Pong…) unter dem Namen Atari Interactive für kleines Geld verscherbelte. Dann übernahm Infogrames die Hasbro-Computerspiel-Division, vor allem, um den Namen Atari nutzen zu können. Machen wir es kurz: Danach tauchte dieser Traditionsname vor allem in Schlammschlachten um Rechte auf – die bis heute andauern.
Aber: Man sollte einen Patienten erst für tot erklären, wenn alle Kurven flach werden. Irgendwie hat es immer Unternehmen gegeben, die versucht haben, es unter dem edlen Markennamen noch einmal zu versuchen. Seit 2017 lässt die Firma Atari SA munkeln, sie baue eine Spielkonsole namens Atari VCS und dies würde die weltweit erste Blockchain-Game-Konsole. Ein Haufen verrückter Ingenieure bastelt daran, es gibt einen(!) Prototypen und offiziell kann man das Ding in den USA schon seit 2018 vorbestellen. Meine Güte, dieses Bohei ist so dermaßen typisch für Atari, das kann man sich nicht ausdenken!
Wie schon erwähnt: Vor allem die Freaks, die früh auf Atari-Homecomputer und später auf den ST setzten, schwärmen noch heute von diesen Kisten, und mancher findet einen solchen Computer in der Garage und belebt ihn wieder…
Und hier geht es zu Part I und Part II unserer kleinen Atari-Historie.
[Bildnachweise – Jaguar: Billby via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 3.0]